Entzug von Provisionschancen und Dienstwagen rechtfertigt Verweigerung der Betriebsratszustimmung (§ 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG)

LAG Bremen, Beschluss vom 08.05.2024 - 2 TaBV 81/23

Der Fall:

Der Arbeitnehmer war als AT-Angestellter im Vertriebsaußendienst beschäftigt und erhielt neben seinem Grundgehalt Provisionen für abgeschlossene Aufträge. Ihm stand ein Dienstwagen auch zur privaten Nutzung zur Verfügung. Der Arbeitgeber beabsichtigte, den Arbeitnehmer in den Innendienst (Backoffice)

  • bei gleichem Grundgehalt zu versetzen
  • und hörte den Betriebsrat gem. § 99 BetrVG an.
  • Durch die Versetzung hätte der Arbeitnehmer keine nennenswerte Chance mehr gehabt, Provisionen zu erzielen.
  • Der Dienstwagen sollte ihm entzogen werden, jedoch bei Zahlung einer entsprechenden Entschädigung.

Der Betriebsrat hat die Zustimmung zur beabsichtigten Versetzung verweigert mit der Begründung,

  • der Arbeitgeber habe ihn nicht ausreichend informiert (§ 99 Abs. 1 S. 1 und 2 BetrVG);
  • außerdem erleide der betroffene Arbeitnehmer durch die beabsichtigte Versetzung Nachteile (§ 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG; keine Möglichkeit mehr, Provisionen zu verdienen).

Der Arbeitgeber verlangt beim Arbeitsgericht die Ersetzung der Zustimmung zur geplanten Versetzung des Arbeitnehmers (§ 99 Abs. 4 BetrVG)

Die Lösung:

Das Arbeitsgericht gab dem Antrag des Arbeitgebers statt und ersetzte die Zustimmung des Betriebsrats zur beabsichtigten Versetzung, das LAG wies den Antrag mit der Begründung ab, der Arbeitnehmer erleide durch die Versetzung finanzielle Nachteile, da er auf der neuen Stelle faktisch keine nennenswerten Provisionen mehr erzielen könne (§ 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG). Auch sei der Betriebsrat vom Arbeitgeber nicht ausreichend i.S.v. § 99 Abs. 1 S. 1 und 2 BetrVG informiert worden.

Hinweis für die Praxis:

Die Entscheidung des LAG ist richtig. Die Entscheidung des Arbeitsgerichts ist nicht nachvollziehbar.

  • Die geplante Versetzung ist arbeitsrechtlich, also im Verhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber unwirksam, weil sie vom Direktionsrecht nicht gedeckt ist (§ 106 GewO). Denn durch die Versetzung entzieht der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer faktisch Arbeitsentgelt (Provisionen) und greift in den Kernbereich des Arbeitsverhältnisses ein. Dies wäre arbeitsrechtlich allenfalls möglich, wenn der Arbeitgeber zuvor eine wirksame Änderungskündigung ausgesprochen hätte, was hier aber nicht der Fall war.
  • Betriebsverfassungsrechtlich hat der Betriebsrat „alles richtig gemacht“ und die Zustimmung zur Versetzung verweigert mit der Begründung, der Arbeitnehmer erleide ansonsten ungerechtfertigte Nachteile durch den faktischen Entzug der Möglichkeit, Provisionen zu verdienen (§ 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG).