
Die klassische Psychologie beschäftigt sich mit Heilung und Stabilisierung bei erfolgter Krankheit wie z. B. bei Burn-out, Depressionen, Angsterleben.
Die positive Psychologie beginnt deutlich früher: Sie schaut auf die Ursachen für ein glückliches Leben, sowohl im privaten als auch im beruflichen Kontext. Als Vorreiter ist hier der Psychologie-Professor Martin Seligmann zu nennen, welcher Ende der 1990iger mit einem Forscherteam zu einem Umdenken innerhalb der Psychologie aufrief. Er stellte die Frage nach den Voraussetzungen für ein zufriedenes Leben.
Seminar: Positive Psychologie und ihr Nutzen für die BR-Arbeit
Herauskristallisiert haben sich fünf Eigenschaften, die für ein gelungenes Leben gelten. Die Formel lautet: PERMA. Hinter diesem Akronym verbergen sich folgende Eigenschaften: P = Positive Emotionen, E = Engagement, was so viel bedeutet wie „in einer Sache ganz aufgehen“ und dem mittlerweile gebräuchlichen Begriff „Flow“ ähnelt, R = Relationship (Beziehungen), M = Meaning (Sinn) und A = Achievment (Erfolgserlebnisse).
Was für das Individuum, den einzelnen Menschen gilt, hat ebenfalls Gültigkeit im Unternehmenskontext. Was bedeutet es, wenn wir das PERMA-Modell z. B. auf die Arbeit im BR-Gremium anwenden?
P = Positive Emotionen: „Was verursacht uns, als BR-Gremium gute Gefühle?“ – „Worauf können wir im Gremium vertrauen?“ – „Was stärkt uns?“ Hier liegt einer von mehreren Grundsteinen für eine gelingende Zusammenarbeit.
E = Engagement: „Wer von uns hat welche Stärken?“ – „Wer fühlt sich mit welcher Aufgabe wohl?“ – „Wo sieht der/die Einzelne am wenigsten Widerstände?“ Diese Fragestellungen helfen dabei, das Engagement der Teilnehmenden im Gremium individuell zu fördern.
R = Relationship (Beziehungen): „Wo sind Beziehungen im Gremium gestört? – „Wie wirkt sich das auf unsere Ergebnisse aus?“ Dieser Punkt ist wichtig, weil wir in Unternehmen selten Nachhaltigeres entwickeln als ungelöste Konflikte.
Immer wieder erlebe ich es in meinen Beratungen, dass selbst nach 20 Jahren über einen ungelösten Konflikt gesprochen wird, weil die persönlichen Verletzungen von damals immer noch wieder spürbar sind.
M = Meaning (Sinn): Ein passendes, wenn auch forderndes Beispiel dafür sind „Change-Prozesse“ in Unternehmen. Diese scheitern häufig daran, dass Mitarbeitende nur wenig darüber informiert werden, warum der Verkauf stattgefunden hat, welche aktuellen Veränderungen anstehen und warum der Übergang in den aller meisten Fällen holprig und langwierig ist. Würde hier die Wichtigkeit der Sinnhaftigkeit rechtzeitig erkannt und die Mitarbeiter vertrauenswürdig, klar und kontinuierlich über den jeweils aktuellen Stand der Veränderung informiert, dann wäre der Sinn klar und die Mitarbeitenden deutlich motivierter. Diese positive Entwicklung erlebe ich immer dann in Unternehmen, wenn die Verantwortlichen bereit sind, den Change-Prozess transparenter zu machen.
A = Achievment (Erfolgserlebnis): Menschen benötigen die Erfahrung, dass ihr Einsatz etwas Positives nach sich zieht. Ein erreichtes Ziel, eine Anerkennung, die Erfahrung von „Yes, we can!“ motiviert und zeigt allen Beteiligten, dass die gewählten Maßnahmen und die vorhandenen Kompetenzen dazu führen, dass ein gemeinsames Ziel erreicht werden kann.
Positive Psychologie kann uns also dazu veranlassen, schon im Vorfeld für (Arbeits-) Bedingungen zu sorgen, die unterstützend und motivierend sind. Sie hilft uns, diverse Defizite erst gar nicht in einem hohen Ausmaß entstehen zu lassen. Das, was es dafür braucht, ist die Stärkung der Komponenten, die Krankheiten erst gar nicht entstehen lassen. Wer könnte dafür besser im unternehmerischen Kontext sensibilisieren und einstehen als Betriebsräte?
Noch ein kleiner Tipp für die praktische Anwendung der positiven Psychologie:
Die „Dankbarkeitsübung“ - Schreiben Sie handschriftlich täglich am Abend 3 Punkte auf einen Zettel auf, für die Sie an diesem Tag dankbar sein können. Das kann, z. B. ein gutes Gespräch sein. Auch Selbstverständliches wie eine schöne Wohnung oder ein eigenes Haus sind Dinge, für die wir dankbar sein können. Praktizieren Sie dies über den Zeitraum von mindestens zwei Wochen täglich (gerne auch darüber hinaus) und prüfen Sie, ob diese kleine Aufmerksamkeitsübung Auswirkungen auf Ihre Lebenszufriedenheit hat. Ihre Notizen können Sie z. B. in ein großes Gefäß geben, sodass Sie sich Ihren ganz persönlichen „Schatz für schwierigere Zeiten“ kreieren, indem Sie Ihre Aufzeichnungen durchlesen.
Kontakt: Nicole Reckmann, www.nicole-reckmann.de, Tel. 0151 / 166 66 205