von: Vivien Marie Brauer, Dipl.-Jur.
Dass sich mit dem Aufkommen von Künstlicher Intelligenz sowohl neue Chancen als auch Herausforderungen für die sich wandelnde Arbeitswelt ergeben, ist keine Neuigkeit mehr. In vielen Bereichen hat KI bereits erfolgreich Einzug gefunden. Doch was genau heißt das nun für den einzelnen Arbeitnehmer?
Um das beantworten zu können, lohnt sich zunächst ein Blick auf den Begriff der KI. Dieser befindet sich seit geraumer Zeit gewissermaßen in der Schwebe, da BetrVG, DSGVO und BDSG diesen nicht definieren. Die demnächst in Kraft tretende europäische KI-Verordnung soll nun Klarheit in die Sache bringen mit ihrem Art. 3 Nr. 1. Demnach sei KI „eine Software, die mit einer oder mehreren der in Anhang I aufgeführten Techniken und Konzepte entwickelt worden ist und im Hinblick auf eine Reihe von Zielen, die vom Menschen festgelegt werden, Ergebnisse wie Inhalte, Vorhersagen, Empfehlungen oder Entscheidungen hervorbringen kann, die das Umfeld beeinflussen, mit dem sie interagieren“.
Entsprechend dieser weitumfassenden Begriffsbestimmung umfasst KI eine große Bandbreite an Maßnahmen, die typischerweise der Automatisierung und schnelleren Bearbeitung von Aufgaben dienen. Zwar sollten Ergebnisse aus KI-Prozessen immer noch einmal von einer natürlichen Person geprüft werden, ehe sie verwendet werden, doch im Ergebnis soll Arbeitnehmern dann mehr Zeit für kreative und strategische Tätigkeiten verbleiben.
Durch die Anwendung von KI-Technologie ergeben sich jedoch auch neue Problemfelder. Um sich dieser anzunehmen, wurden den Betriebsräten im Zuge des Betriebsrätemodernisierungsgesetzes im Juni 2021 neue Mitbestimmungs- und Beratungsrechte zugeteilt. KI unterliegt also nicht nur unternehmerischen Entscheidungen des Arbeitgebers, den Arbeitsplatz an den digitalen Wandel anzupassen, sondern ist seither auch ein Thema für Betriebsräte. Selbiges gilt natürlich auch für solche Themen, auf die KI eine nur mittelbare Wirkung haben, wie zum Beispiel auf den Gesundheitsschutz.
So gut wie unvermeidbar ist, dass die Anwendung von KI auch für die Arbeitnehmerdaten äußerst relevant ist. Das liegt schon in der Natur von Künstlicher Intelligenz, die im Regelfall zunächst mit Daten gespeist werden muss, um ihrer Funktion nachzugehen. Die DSGVO regelt daher zum Schutz der Arbeitnehmer, dass diesen nach Art. 13 eine transparente Auskunft zusteht, wenn ihre Daten betroffen sind. Auch etwa das Profiling unterliegt weitergehenden Anforderungen nach Art. 22 DSGVO. Zudem darf KI gem. Art. 88 II DSGVO i. V. m. Art. 26 IV BDSG in Betriebsvereinbarungen geregelt werden – und zwar nur zum Schutz der betroffenen Personen, nicht aber zu deren Nachteil.
Eine besonders hohe Relevanz hat für Arbeitnehmer zurzeit die Frage nach der Nutzung von ChatGPT. Diese chatbasierte KI erleichtert den Arbeitsalltag, indem sie auf Texteingaben hin (sog. Prompts) unter anderem Texte erstellen und Fragen beantworten kann. Die Einfachheit der Nutzung der teilweise kostenlos verfügbaren Versionen von ChatGPT lädt dazu ein, verschiedenste Aufgaben auf den Dienst auszulagern. Da KI nach deutschem Rechtsverständnis (noch?) nicht als Dritter zählt, ist die höchstpersönliche Leistungserbringungen der Arbeitsleistung nach § 613 BGB nicht verletzt. Gleichwohl stellt sich die Frage, ob Arbeitnehmer ihren Arbeitgeber über die Nutzung von ChatGPT zu informieren haben. Nach § 242 BGB ist eine Auskunftspflicht zu bejahen, wenn der Arbeitgeber ein berechtigtes, billigenswertes und schutzwürdiges Interesse an der Mitteilung hat. Das liegt wohl zumindest dann vor, wenn ein Arbeitnehmer seine Aufgaben ausschließlich durch ChatGPT erbringen lässt.
Insgesamt ist davon auszugehen, dass die Anwendung von Künstlicher Intelligenz im gleichen Tempo Fragen beantwortet wie neue aufwirft. Durch die zunehmenden rechtlichen Regelungen wird eine Navigation in diesem Dunstkreis mit der Zeit jedoch einfacher werden. Verbleibende Unsicherheiten sollten sich für Arbeitnehmer durch eine aktive Auseinandersetzung mit dem Thema aus dem Weg schaffen lassen.