Das sollten Sie über die Unfallversicherung wissen

 

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Erleidet der Arbeitnehmer einen Arbeitsunfall, einen Wegeunfall oder erkrankt er an einer Berufskrankheit, so greift grundsätzlich die gesetzliche Unfallversicherung ein. Die wichtigsten Regelungen hierzu finden sich im SGB VII.

Durch die Unfallversicherung wird nicht nur der einzelne Arbeitnehmer geschützt, sondern auch der Betriebsfrieden gewahrt. Der Grund hierfür liegt darin, dass sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht über Haftungsfragen streiten müssen, wenn es tatsächlich zu einem Unfall kommt. Stattdessen werden die durch den Unfall entstandenen Kosten von der Berufsgenossenschaft übernommen.

Nicht ganz einfach ist die Frage zu beantworten, wann ein Arbeitsunfall vorliegt und wann ein Unfall einer privaten Tätigkeit zuzuordnen ist - im Fachjargon spricht man insoweit von einer eigenwirtschaftlichen Tätigkeit.

Dabei hilft auch die Legaldefinition in § 8 Abs.1 SGB VII nur wenig weiter. Hiernach sind Arbeitsunfälle „zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die der Versicherte im Rahmen der versicherten Tätigkeit erleidet und die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tode führen“.

Aber was genau gehört nun zur versicherten Tätigkeit und was nicht? Dies ist - wie so oft in der Juristerei - eine Frage des Einzelfalls und muss daher immer an den genauen Umständen gemessen werden. Allerdings können zumindest einige Grundsätze weiterhelfen:

Einigkeit besteht nämlich jedenfalls insoweit, als dass zu der versicherten Tätigkeit sowohl inner- als auch außerbetriebliche Arbeitsvorgänge gehören können.

Zu den außerbetrieblichen Tätigkeiten gehören z. B. Montagearbeiten oder Homeoffice. Voraussetzung ist aber stets, dass die Tätigkeit einen betrieblichen Bezug aufweist.

Im Folgenden werden wir einige Sonderfälle genauer beleuchten.

Homeoffice:

Auch Unfälle, die im Zusammenhang mit der Tätigkeit im Homeoffice passieren, sind von der Unfallversicherung gedeckt.

Selbstverständlich fallen darunter zum Einen Unfälle im räumlichen Bereich des häuslichen Büros. Auch der unmittelbare Weg über die Treppe zum häuslichen Büro ist beispielsweise davon gedeckt. Das heißt also, dass ein Treppensturz auf dem Weg in den Keller, in dem das Büro liegt, als Arbeitsunfall qualifiziert wird.

Zum Anderen fallen aber mittlerweile auch weitere innerhäusliche Wege, die in einem engen Zusammenhang mit den beruflichen Aufgaben stehen, unter den Versicherungsschutz. Dies gilt beispielsweise für die Wege zur Nahrungsaufnahme und zum Toilettengang während der Arbeitszeit. Entscheidend ist dabei, ob gleichartige Tätigkeiten bei Präsenzarbeit im Betrieb versichert wären. Wenn dies bejaht werden kann, besteht auch im Sinne der Gleichbehandlung ein Versicherungsschutz. Gleiches gilt, wenn der Arbeitnehmer die Treppe herabstürzt auf dem Weg zu einem dienstlich genutzten Drucker.

Beachte aber: Die Erweiterung dies Unfallversicherungsschutzes gilt nur für Unfälle, die sich bis einschließlich dem 17.06.2021 ereignet haben. Für die davorliegenden Unfälle greift hingegen die gesetzliche bzw. private Krankenversicherung.

Abgesehen vom räumlichen Bereich ist außerdem zu beachten, dass der Arbeitnehmer mit Wissen und Wollen des Arbeitgebers tätig werden muss. Versicherungsschutz besteht also nicht, wenn der Arbeitnehmer in Eigeninitiative am privaten Arbeitsplatz tätig wird. Die Arbeit im Rahmen des Homeoffice muss daher auf Weisung des Arbeitgebers oder aufgrund vertraglicher Regelung erfolgen.

Sonderfall: der Wegeunfall

Grundsätzlich gilt erst einmal:

Auch ein Unfall, der sich auf dem unmittelbaren Weg von der Wohnung zur Arbeitsstätte oder auf dem Weg zurück ereignet, ist vom Versicherungsschutz gedeckt. Dies folgt aus § 8 Abs. 2 SGB VII. Der versicherte Weg beginnt mit dem Verlassen der Wohnung und endet mit dem Betreten der Arbeitsstätte.

Bei der Wahl des Weges muss nicht immer die schnellste oder sicherste Strecke gewählt werden, wenn ein anderer Weg zumindest verkehrsgünstiger ist.

Ebenso ist der Arbeitnehmer frei in der Wahl des Fortbewegungsmittels. Versicherungsschutz besteht sowohl bei der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel als auch, wenn der Arbeitnehmer auf ein privates Auto, Fahrrad oder sonstiges Fortbewegungsmittel zurückgreift. Auch kleinere Umwege ändern nichts am Versicherungsschutz, solange diese nicht auf eigenwirtschaftlichen Interessen des Arbeitnehmers beruhen. Zu den eigenwirtschaftlichen Interessen zählen alle Tätigkeiten, die dem privaten Bereich des Arbeitnehmers zuzuordnen sind, also z. B. privater Einkauf, Tanken eines privaten PKWs auf dem Weg zur Arbeit etc. Bei Unterbrechungen des Arbeitswegs zum Zwecke eigenwirtschaftlicher Interessen lebt der Versicherungsschutz allerdings wieder auf, sobald der Arbeitsweg fortgesetzt wird und die Unterbrechung außerdem einen Zeitraum von zwei Stunden nicht überschreitet.

Anders liegt der Fall beispielsweise, wenn der Arbeitnehmer vom Weg abweicht, um sein Kind zur Kindertagesstätte oder zum Kindergarten zu bringen (vgl. § 8 Abs. 2 Nr. 2a) SGB VII) oder um ein Mitglied einer Fahrgemeinschaft am verabredeten Punkt abzuholen (vgl. § 8 Abs. 2 Nr. 2b) SGB VII) UND hinterher unmittelbar zur Arbeitsstätte fährt bzw. von der Arbeitsstätte kommt. In diesen Fällen ist nämlich ein arbeitsrechtlicher Bezug gegeben. Versicherungsschutz besteht.

Eine Besonderheit besteht wiederum für den Weg zur Kindertagesstätte bzw. zum Kindergarten und zurück, sofern der jeweilige Elternteil anschließend zum Homeoffice zurückkehrt bzw. unmittelbar aus dem Homeoffice kommt. Dieser Fall ist nun in § 8 Abs. 2 Nr. 2a. SGB VII geregelt. Danach genießen auch Unfälle ab dem 18.06.2021 Versicherungsschutz, die sich auf dem Weg zu „fremder Obhut“ für die Kinder anlässlich der Tätigkeit im Homeoffice ereignen.  

Dienstreisen:

Auch der Hin- und Rückweg zum Ort der Dienstreise sind vom Versicherungsschutz gedeckt. Das gilt ebenfalls für alle Tätigkeiten, die mit der Dienstreise im inneren Zusammenhang stehen, so z. B. auch Vorbereitungshandlungen wie die Gepäckaufgabe, das Betanken eines Dienstwagens und Ähnliches. Aber auch hier gilt: der Versicherungsschutz endet dort, wo die private Lebensgestaltung beginnt. Das kann z. B. der Fall sein, wenn während der Dienstreise auch privaten Freizeitaktivitäten nachgegangen wird. Welche Rechte hat der Betriebsrat, wenn es um das Thema Arbeits- und Wegeunfälle geht? Betriebsratsmitglieder sind nicht nur während der eigentlichen Arbeitszeit, sondern auch während der Betriebsratsarbeit unfallversichert. Das gilt auch für die Teilnahme an Schulungen und die damit verbundenen Wege. Außerdem muss der Arbeitgeber den Betriebsrat bei allen im Zusammenhang mit dem Arbeitsschutz oder der Unfallverhütung stehenden Fragen hinzuziehen (§ 89 Abs. 3 BetrVG). Dieses Informationsrecht besteht z. B. insofern, als dass der Betriebsrat an Besprechungen des Arbeitgebers mit dem Sicherheitsbeauftragten teilnehmen darf. Der Sicherheitsbeauftragte wiederum hat die Aufgabe, den Arbeitgeber bei der Durchführung der Maßnahmen zur Verhütung von Arbeitsunfällen zu unterstützen und diesen auf Gefahren und Risiken aufmerksam zu machen. Zweck dieser Regelung ist es, den Betriebsrat mit all denjenigen Informationen zu versorgen, die er für die Ausübung seiner Tätigkeit benötigt. Auch, wenn sich ein Arbeitsunfall ereignet hat, muss der Betriebsrat hierüber informiert werden. Dies gilt im Übrigen ebenfalls für Unfälle von Fremdpersonal und Leiharbeitnehmern (BAG, Beschluss vom 12.03.2019, AZ: 1 ABR 48/17). Nur mithilfe dieses Informationsrechts kann der Betriebsrat den Arbeitnehmern unterstützend und beratend zur Seite stehen, wenn es um Fragen rund um die Unfallversicherung geht.

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