Führung als Schlüssel zur Mitarbeitermotivation

Es ist Montag und Betriebsratssitzung. BR-Vorsitzender Peter Fleißig wirkt nachdenklich, was sonst nicht seine Art ist. 

“In den letzten Tagen sind einige Kolleginnen und Kollegen auf mich zugekommen und haben ihre Bereitschaft bekundet, demnächst als Betriebsrat zu kandidieren“

Und Fleißig weiter: “Offensichtlich produziert der neue Abteilungsleiter potenzielle Betriebsräte. Seine Führungsqualität ist so katastrophal, dass die Leute entweder gleich weglaufen oder als Betriebsrat dagegen vorgehen wollen. Jedenfalls machen alle nur noch Dienst nach Vorschrift oder haben innerlich gekündigt. Keiner ist mehr motiviert.“

Ist das, was der BR-Vorsitzende Fleißig hier beschreibt, eine Ausnahme? Nein, leider nicht. Das Ergebnis der Gallup Befragung 2023: 67 % der Beschäftigten fühlen sich an ihr Unternehmen nur noch wenig gebunden und machen Dienst nach Vorschrift. 19 % haben bereits innerlich gekündigt. (Gallup Engagement Index Deutschland 2023)

Die volkswirtschaftlichen Kosten: 132 bis 167 Milliarden Euro (Gallup – Engagement Index 2023)

Die Ursachen: Demotivation durch miserable Führung.

Viele Führungskräfte wissen, wie wichtig gute Führung ist und wie sie theoretisch und praktisch aussieht.

Neulich sagte mir der Geschäftsführer eines mittelständischen Unternehmens mit ca. 300 Mitarbeitenden: „Wir wissen eigentlich was zu tun ist, aber wir haben einfach keine Zeit es gut und effizient zu machen.“

Kann man verstehen, muss man aber nicht.

Das verhängnisvolle Gefühl, wie „der Hamster im Rad“ Gefangene*r des eigenen Antriebs zu sein, ohne in eine andere Richtung steuern zu können, ist zwar nachvollziehbar, löst aber keine Probleme.

Folgen wir Reinhard Mohn und vielen anderen Unternehmenslenkenden:

„Der wichtigste Erfolgsfaktor eines Unternehmens ist nicht das Kapital oder die Arbeit, sondern die Führung.“

Wenn fast die Hälfte aller Führungskräfte Mitarbeitende demotivieren, dann leisten diese Mitarbeitenden für das Unternehmen wenig und bleiben weit unter ihren Möglichkeiten. Und schlimmer: Innerhalb der „inneren Kündigung“ wird teilweise bewusst gegen das Unternehmen gearbeitet.

Es ist viel über die unterschiedlichen Führungsstile geschrieben worden z. B. über: autoritären-, laissez-fairen, kooperativen, bürokratischen, charismatischen oder patriarchalischen Führungsstil. Nach allen Erfahrungen sollte man sich kein Urteil darüber anmaßen, für wen oder für welches Unternehmen oder Behörde welcher Führungsstil der Richtige ist. Im Zweifel ist immer genau hinzusehen: Wer, was, wann, wie und warum? Keine Empfehlung ohne genaue Analyse.

Seit einigen Jahren macht das Thema „agiles Führen“ die Runde.

Kein Zweifel, viele Elemente im Kontext des agilen Führens sind gewinnbringend. Die Philosophie: Mitarbeitende und besonders Teams durch Motivieren, Moderieren, Coachen auf der Grundlage flacher Hierarchien zu entwickeln und zu unterstützen. Alles gut, alles richtig. In z. B. IT-Unternehmen mit einem hohen Anteil von Nerds, die jeden Tag an „revolutionären“ neuen Softwareprodukten arbeiten, gibt es dazu vermutlich keine sinnvolle Alternative.

Aber in Unternehmen, die hauptsächlich auf Produktion angelegt sind, wo 70/80 % gewerbliche Beschäftigte arbeiten, die Tag ein und Tag aus dieselbe, monotone Arbeitsleistung erbringen? Da sind auch die Möglichkeiten des agilen Führens sehr schnell ausgereizt!

Wir halten an dieser Stelle fest:

  • Führung ist der wichtigste Erfolgsfaktor eines Unternehmens.
  • 67 % aller Mitarbeitenden haben kaum eine Bindung an „ihr“ Unternehmen und machen Dienst nach Vorschrift. 19 % haben sogar schon innerlich gekündigt. Ursache: Schlechte Führung.
  • Führungsstile lassen sich nicht ungeprüft auf jedes Unternehmen übertragen.

Was hat das nun alles mit der Betriebsratsarbeit zu tun?

  1. Viele Betriebsräte sind in ihrer beruflichen Funktion selbst Führungskräfte und hier sollte die Prämisse gelten: Führen durch Vorbild. Das setzt voraus, das die Grundlagen guter Führung bekannt sind und praktiziert werden.
  2. Betriebsratsvorsitzende und Stellvertreter*innen - insbesondere von großen BR-Gremien - sind Führungskräfte und müssen entsprechend führen. Eine teilweise besonders schwierige Aufgabe, weil ihnen als „Primus inter pares“ (Erste*r unter Gleichen) keine Sanktionsmittel zur Verfügung stehen.
  3. § 75,2 des BetrVG fordert: „Arbeitgeber und Betriebsrat haben die freie Entfaltung der Persönlichkeit der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmenden zu schützen und zu fördern. Sie haben die Selbstständigkeit und Eigeninitiative der Arbeitnehmenden und Arbeitsgruppen zu fördern.“ Leiden Mitarbeitende eines Unternehmens unter den oft katastrophalen Führungsfähigkeiten der Führungskräfte – von der Demotivation bis hin zum Mobbing, gibt es für Betriebsräte unmittelbaren Handlungsbedarf.

Aber, wie erkenne ich als Betriebsrat demotivierendes, schädliches Führungsverhalten, das Persönlichkeitsentwicklung, Selbstständigkeit und Eigeninitiative verhindert und nicht fördert?

Hier die sogenannte „Negativliste“. Sie zeigt wesentliche Kriterien des Fehlverhaltens in der Führungspraxis.

Leistung wird verweigert, wenn die Führungskraft:

  • ständig in das Aufgabengebiet des Mitarbeitenden eingreift
  • die Mitarbeitenden übergeht, weil sie Zweifel an deren Kompetenz hat
  • Entscheidungen nicht erklärt
  • ihre Mitarbeitenden niemals um Rat fragt oder Rat sogar zurückweist
  • Erfolge stets auf das eigene Konto bucht
  • aus Mangel an Vertrauen nicht delegiert
  • Entscheidungen autoritären Stils fällt
  • die Mitarbeitenden nicht an Entscheidungen beteiligt
  • zu wenig informiert
  • wenn die Führungskraft sich Urteile über die Charaktere der Mitarbeitenden anmaßt und sie dadurch verletzt
  • Mitarbeitende nicht gegen Angriffe von außen oder vor Kolleg*innen in Schutz nimmt
  • Lob und Anerkennung ungerecht verteilt
  • launisch ist, wenn Willkür und Schikane vorherrschen und die Mitarbeitenden nie wissen, was als nächstes passieren wird.

Aber Vorsicht, diese „Negativliste Führungsverhalten“ bietet Anhaltspunkte, nicht mehr und nicht weniger. Wie so oft steckt der Teufel im Detail. Voreilige Beurteilungen und vorschnelles Handeln sind nicht hilfreich. Erst die Einschätzungen der Betroffenen und der handelnden Personen einholen, dann beurteilen und dann handeln!

Nie ist gute Führung so wichtig wie in schwierigen Zeiten. Betriebsräte und Vorgesetzte dürfen sich hier nicht wegducken. Sie müssen die Entwicklung der Persönlichkeit, Eigeninitiative und Selbständigkeit der Mitarbeitenden durch gute Führung ganz oben auf die Prioritätenliste setzen. Emotionale Mitarbeiterbindung ist das Ergebnis guter Führung. Damit verbunden sind Themen wie Produktivität, Kundenorientierung und Treue. Kein Unternehmen kann es sich leisten, gute Arbeitskräfte durch schlechte Führung zu verlieren.