Sozialauswahl

Die Frage nach der ordnungsgemäß durchgeführten Sozialauswahl stellt sich immer im Zusammenhang mit betriebsbedingten Kündigungen nach dem Kündigungsschutzgesetz. Hat ein Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate gedauert und werden im Betrieb mindestens zehn Vollzeitkräfte beschäftigt (Teilzeitkräfte zählen anteilig), kommt das Kündigungsschutzgesetz zur Anwendung.

Eine ordentliche Kündigung aus betriebsbedingten Gründen ist gerechtfertigt, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind.

  1. Der Arbeitsplatz aufgrund unternehmerischer Entscheidung weggefallen ist. „Das vergeben wir fremd, machen wir gar nicht mehr hier, machen wir jetzt anders“. Wichtig ist - für den Arbeitgeber -, das nachweislich die Tätigkeit in Gänze oder durch Umverteilung im Betrieb weggefallen ist.
  2. Ist das nachweislich - wie gesagt - der Fall, hängt die weitere Prüfung der Kündigung davon ab, ob mit dieser Entscheidung alle im Betrieb vergleichbaren Arbeitsplätze weggefallen sind oder nicht. Vergleichbar sind die Arbeitsplätze, auf denen der Arbeitgeber die Arbeitnehmer kraft Direktionsrechts austauschen kann. Die Frage muss also lauten: gibt es noch Tätigkeiten, auf denen im Betrieb andere sitzen, die unserem Betroffenen zugewiesen werden dürften? Vereinfacht gesagt: die haben den gleichen Arbeitsvertrag. Dann hätten wir mehrere mögliche „Kündigungsadressaten“ und der Arbeitgeber muss nach gesetzlichen Regeln auswählen.

Beispiel:
Es gibt im Betrieb mehrere Abteilungen, in denen Schlosser beschäftigt sind. Schließt der Arbeitgeber eine Abteilung, kann er nicht einfach allen in dieser Abteilung befindlichen Schlossern kündigen. Da die in der zu schließenden Abteilung eingesetzten Schlosser auch in den anderen - noch laufenden Abteilungen - eingesetzt werden können, ist eine Sozialauswahl durchzuführen, welche Schlosser tatsächlich gehen.

Es kommt immer auf die Einsetzbarkeit nach dem Arbeitsvertrag, nicht auf den aktuellen Einsatz an. Dazu ein weiteres Beispiel:

Das Unternehmen hat zwei Außendienstlinien. In der einen wird Produkt A, in der anderen wird B beim Kunden besprochen. Wird Produkt A eingestellt, landen alle Außendienstler in der Sozialauswahl. Denn wer A draußen sagen kann, kann auch B sagen.
Klar ist, dass das für den Arbeitgeber blöd ist. Er hat Arbeit, muss umorganisieren. Deshalb wird auch gerne mal stumpf die durchzuführende Sozialauswahl „übersehen“.

Aber nur für den Fall, dass keine vergleichbaren Adressaten da sind, muss keine Sozialauswahl durchgeführt werden. Dann ist direkt zu prüfen, ob es „Alternativen im Betrieb oder Unternehmen gibt.

Bei der Sozialauswahl sind drei Schritte erforderlich:
In einem ersten Schritt ist zu ermitteln, welche Arbeitnehmer als mögliche Adressaten einer Kündigung existieren. Es wird der sogenannte „Kündigungstopf“ gebildet. Also alle unter einander austauschbare Arbeitnehmer kommen in diesen Auswahltopf.

Dabei ist es vorstellbar, dass bestimmte Mitarbeiter nicht mehr ohne weiteres austauschbar sind, da sie durch (jahre-) lange Erfahrung auf einer bestimmten Position nicht innerhalb kurzer Zeit austauschbar sind. Es geht hier nicht um „besser“ oder „schlechter“. Typischer Fall ist der, dass ein Arbeiter Maschinen nicht so führen kann wie ein anderer, weil es lange Erfahrung braucht.

Im nächsten Schritt kann der Arbeitgeber einzelne Arbeitnehmer gemäß der Ausnahmevorschrift des § 1 Abs.3 Satz 2 KSchG aus der Sozialauswahl ausnehmen, also bildlich aus dem Topf vor Auswahl heraus nehmen.

Voraussetzung ist, dass deren Weiterbeschäftigung, insbesondere

  1. wegen ihrer Kenntnisse,
  2. ihrer Fähigkeiten und Leistungen oder
  3. zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes

im berechtigten betrieblichen Interesse liegt.

Als Ausnahmefall zur „normalen“ Sozialauswahl sind hier hohe Anforderungen zu stellen. Beispielsweise geht es um die Entlassung von Assistentinnen. Eine solche mit besonderen Sprachkenntnissen ist aus der Sozialauswahl herausnehmbar.

Darüber hinaus kann der Arbeitgeber unter Berufung auf die Ausnahmemöglichkeit des § 1 Abs.3 Satz 2 KSchG oftmals Altersgruppen bilden und die Sozialauswahl dann nur innerhalb dieser Altersgruppen vornehmen (20-30, 30-40 usw). Das Lebensalter und die Beschäftigungsdauer werden im Falle einer Altersgruppenbildung zwar beachtet, aber nur innerhalb der jeweiligen Altersgruppen.

Arbeitnehmer, die vor einer ordentlichen Kündigung in erhöhtem Maße geschützt sind, Schwangere, Mütter bis zum vierten Monat nach der Entbindung, Schwerbehinderte, Betriebsräte und andere Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis durch Vorschriften des Sonderkündigungsschutzes gegen ordentliche Kündigungen geschützt sind, sind nicht in die Sozialauswahl einzubeziehen.

Stehen damit die Kandidaten oder vielmehr der Topf fest, ist die Auswahl mittels der im Gesetz genannten Kriterien:

  • Dauer der Betriebszugehörigkeit,
  • Alter,
  • Unterhaltspflichten
  • Schwerbehinderung

durchzuführen.

Es gibt keinen allgemeinen Bewertungsmaßstab, nach dem die oben genannten und eventuell weitere Auswahlkriterien zueinander ins Verhältnis zu setzen sind.

Der Arbeitgeber kann bei der Kündigung nur die Daten berücksichtigen, die er kennt. Er ist jedoch im eigenen Interesse dazu gehalten, sich Kenntnis von den Grunddaten zu verschaffen. Der Arbeitnehmer muss ihm auf Nachfrage die entsprechenden Daten wahrheitsgemäß mitteilen. Gibt der Arbeitnehmer keine Auskünfte oder verschweigt er Umstände, so kann er sich in einem späteren Prozess nicht auf diese berufen.

Nach § 1 Abs. 3 S. 3 KSchG obliegt es dem Arbeitnehmer, die Tatsachen, die für eine Sozialwidrigkeit der Kündigung sprechen, zu beweisen. Zu diesem Zweck gibt das Gesetz dem Arbeitnehmer nach Abs. 3 S. 1 2. Halbsatz gegenüber dem Arbeitgeber einen Auskunftsanspruch hinsichtlich der Gründe der erfolgten Sozialauswahl.

Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bleibt im Rahmen der betriebsbedingten Kündigung für eine weitere Interessenabwägung kein Raum mehr, wenn feststeht, dass dringende betriebliche Erfordernisse vorliegen, eine zumutbare Weiterbeschäftigungsmöglichkeit ausscheidet und die Sozialauswahl fehlerfrei ist.
ALSO: Checkliste zur betriebsbedingten Kündigung

  1. grundsätzlich gilt: Freie unternehmerische Entscheidung; Grenze: Willkürverbot
  2. Betriebliche Erfordernisse

 extern bedingt intern bedingt
 - Absatzschwierigkeiten - Rationalisierung
 - Rohstoffmangel etc. - Stilllegung eines Betriebs(-teils)
 - Produktionsumstellung etc.

 die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, d.h. Wegfall der bisherigen Beschäftigungsmöglichkeit.

3. Dringlichkeit der betrieblichen Erfordernisse
 Die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit sind zu beachten:

  • Möglichkeit der Weiterbeschäftigung, auch nach Fortbildung oder in einem anderen Betrieb
  • Vorrang der Änderungskündigung

 
 4. Ordnungsgemäße Sozialauswahl gemäß § 1 Abs. 3 KSchG
 Drei Schritte:

  • Feststellung: welche Arbeitnehmer sind vergleichbar.
  • Herausnahme derjenigen Arbeitnehmer aus der gebildeten Rangfolge, deren Weiterbeschäftigung im berechtigten betrieblichen Interesse liegt.
  • Durchführung der sozialen Auswahl anhand der gesetzlichen Kriterien.

Kollektivrechtliche Regelungen nach Abs. 4 und 5
Richtlinien zur Personalauswahl
Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des BetrVG oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.
Eines Hinweises auf die Festlegung bestimmter Sozialkriterien in den genannten Kollektivvereinbarungen bedurfte es nicht mehr, weil diese in der Neufassung gesetzlich vorgeschrieben sind. Auch beschränkt der Gesetzgeber die Prüfung der groben Fehlerhaftigkeit auf die Bewertung der Sozialkriterien, wendet sie aber nicht auf die gesamte soziale Auswahl an. Hieraus folgt, dass auch bei der Heranziehung von Personalauswahlrichtlinien etwa im Sinne des § 95 BetrVG die hieran orientierte Sozialauswahl insoweit der vollen rechtlichen Prüfung der Arbeitsgerichte unterfällt, als es um die Bestimmung des auswahlrelevanten Personenkreises geht. Mit anderen Worten: Die Frage der Vergleichbarkeit und Austauschbarkeit von Arbeitnehmern, die das entscheidende Kriterium für die „Topfbildung“ darstellt, ist von den Arbeitsgerichten auch weiterhin voll überprüfbar.
Gleiches muss auch für die Frage gelten, ob und welche Leistungsträger aus der sozialen Auswahl herausgenommen werden können.
 
Namensnennung im Interessenausgleich
 
Sind bei einer Kündigung aufgrund einer Betriebsänderung nach § 111 des BetrVG die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrats nach § 17 Abs. 3 Satz 2.
Für die Anwendbarkeit des § 1 Abs. 5 KSchG n. F. ist erforderlich, dass die streitbefangene Kündigung aufgrund einer Betriebsänderung gemäß § 111 BetrVG ausgesprochen wurde. Des weiteren muss zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ein wirksamer Interessenausgleich über eine Betriebsänderung zustande gekommen sein, der eine Liste der zu kündigenden Arbeitnehmer enthält. Diese Namensliste muss Bestandteil des Interessenausgleichs sein. Entweder ist sie ausdrücklich darin enthalten, sie kann sich aber auch in einer beigefügten Anlage befinden. Das nach § 112 Abs. 1 S. 1 BetrVG bestehende Schriftformerfordernis ist noch nicht verletzt, wenn die Namensliste nicht im Interessenausgleich selber, sondern in einer Anlage enthalten ist. § 1 Abs. 5 KSchG verbietet nicht, eine Liste mit den zu kündigenden Arbeitnehmern als Anlage zu einem Interessenausgleich zu nehmen, soweit zweifelsfrei feststeht, dass die Namensliste und der Interessenausgleich eine Urkunde bilden sollen. Wird die Namensliste losgelöst vom Interessenausgleich erstellt, reicht es aus, wenn sie von den Betriebsparteien unterzeichnet ist und in ihr oder im Interessenausgleich auf sie Bezug genommen wird. Werden darüber hinaus die einzelnen Seiten der Namensliste von den Betriebsparteien noch paraphiert (mit einem Namenskürzel versehen), ist die Form des § 112 Abs. 1 Satz 1 BetrVG auf jeden Fall gewahrt.
Liegen die Voraussetzungen des § 1 Abs. 5 KSchG n. F. vor, so kehrt sich die Beweislast um: der Arbeitnehmer muss darlegen und beweisen, dass die Beschäftigungsmöglichkeit nicht weggefallen ist.