Auskunftsanspruch für 14 Millionen: Das neue Entgelttransparenzgesetz

 

730x300 § und viele liegende Fragezeichen

Seit dem 6. Juli 2017 gilt das Gesetz zur Förderung der Transparenz von Entgeltstrukturen (EntGTranspG). Damit haben schätzungsweise 14 Millionen Beschäftigte neuerdings das Recht auf eine individuelle Auskunft über die Lohnstrukturen in ihrem Betrieb. Der Auskunftsanspruch kann ab Januar 2018 geltend gemacht werden. Darauf eingestellt ist allerdings kaum ein Betrieb.

Mit dem Gesetz ergeben sich viele neue Pflichten für Arbeitgeber und Betriebsrat.

Ziel des Entgeltransparenzgesetz ist, die Entgeltungleichheit zwischen Männern und Frauen zu beseitigen, indem eine Ungleichbehandlung der Bezahlung aufgrund des Geschlechts verboten wird - allerdings nur in Betrieben ab einer gewissen Größe, nämlich ab 200 Mitarbeitern. Um herauszufinden, ob eine unmittelbare oder mittelbare Benachteiligung vorliegt, erhalten Beschäftigte einen Auskunftsanspruch, den sie ab Januar 2018 geltend machen können. Jeder Beschäftigte hat dann einen Anspruch, die Höhe des Entgelts eines "vergleichbar arbeitenden" Kollegen des anderen Geschlechts zu erfahren. Außerdem muss er, wenn er dies wünscht, über das Verfahren der Entgeltermittlung Aufschluss erhalten. Damit sollen für die Beschäftigten die Gehaltsstrukturen des Unternehmens transparenter und Lohndiskriminierung verhindert werden.

Der Verfahrensablauf in groben Zügen: In tarifgebundenen Unternehmen soll der Auskunftsanspruch über die Betriebsräte wahrgenommen werden, d. h. der Betriebsrat ist erster Adressat des Auskunftsanspruchs. In Betrieben ohne Betriebsrat und ohne Tarifvertrag können sich die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer direkt an den Arbeitgeber wenden.

Der Arbeitnehmer muss seine Anfrage - schriftlich - an den Betriebsrat (bzw. Arbeitgeber) richten und eine Vergleichsperson des jeweils anderen Geschlechts benennen, die eine "vergleichbare" Tätigkeit ausübt. Innerhalb von drei Monaten muss der Betriebsrat (oder Arbeitgeber) dem Beschäftigen schriftlich Antwort geben. Diese umfasst das durchschnittliche Bruttoentgelt (bezogen auf ein Kalenderjahr) der vergleichbaren Person des anderen Geschlechts und, wenn gewünscht, auch Details zum Verfahren der Entgeltermittlung. Unterlässt der Arbeitgeber die Auskunft oder verhindert er, dass der Betriebsrat antwortet, so ist der Arbeitgeber in der Beweislast, dass kein Verstoß gegen das Entgeltgleichheitsgesetz vorliegt.

Einwände und Bedenken gibt es so einige. Das Gesetz schaffe weder Transparenz noch Lohngerechtigkeit. Es sei lebensfremd und ineffizient. Vom Geltungsbereich des Auskunftsanspruchs (warum erst ab 200 Beschäftigten?) über die Schwerfälligkeit des Verfahrens (Kosten!) bis hin zum Datenschutz und Betriebsfrieden. Letztere Aspekte werden zwar im Gesetz berücksichtigt, indem per Ausnahmeregelung keine Auskunft zum Vergleichsentgelt gegeben werden muss, wenn nicht wenigstens sechs Beschäftigte des jeweils anderen Geschlechts in die Vergleichsgruppe fallen. Allerdings drängt sich dabei doch die Frage auf, ob nicht z. B. bei sieben Vergleichsgruppenmitgliedern auch noch Rückschlüsse auf einzelne Personen gezogen werden können?

Und auch das noch weitergehend vorgeschriebene betriebliche Prüfverfahren und die Berichtspflicht des Arbeitgebers bei mehr als 500 Arbeitnehmern wurde bereits während der Diskussion zum Gesetzentwurf von Vertretern aus der Wirtschaft scharf kritisiert: den ohnehin schon bürokratiegeplagten Unternehmen würden damit erneut übermäßige Dokumentationspflichten aufgebürdet werden - "im Kampf gegen einen Popanz".

Doch jetzt ist das Entgelttransparenzgesetz da und die Firmen müssen rechtssichere Auskunft geben können. Wird das von den Unternehmen auch wirklich ernst genommen und wie sind sie vorbereitet? Das hat eine Studie der Unternehmensberatung EY (Ernst & Young) untersucht.

Sie befragten 206 Personalverantwortliche aus unterschiedlichen Branchen. Anfang Juni hatten sich nur 35% der Befragten mit den Gehaltsstrukturen in ihrem Unternehmen beschäftigt und 70 % waren der Meinung, dass es mit der individuellen Auskunft schon irgendwie funktionieren werde. Das sei sehr blauäugig, weil sich in der Praxis zeige, dass kaum ein Betrieb in der Lage sei, den im Gesetz geforderten Vergleich auf Knopfdruck zu erstellen. Der Großteil der Firmen ordne nur das Beschäftigungsverhältnis, das Geschlecht, alle Entgeltbestandteile und die ausgeübte Tätigkeit zu. Was jedoch häufig gar nicht berücksichtigt werde, seien Personalverantwortung, Berufserfahrung und die tatsächlich erbrachte Leistung. Auch hinsichtlich der Informationen zur Arbeitsmarktsituation für bestimmte Positionen seien viele Unternehmen überfragt.

Wenn also gewünscht sei, dass eine leistungsabhängige Vergütung weiterhin möglich sei, "müssen die berücksichtigten Kriterien sehr genau geprüft und nachvollziehbar kommuniziert werden." Geschehe dies nicht, könne eine ungleiche, nicht nachvollziehbare Bezahlung der Mitarbeiter sich nachteilig auf die Mitarbeitermotivation auswirken und erhebliche Imageverluste nach sich ziehen. Ganz zu schweigen von drohenden gerichtlichen Auseinandersetzungen.

Fazit: Den Betrieben ist auf jeden Fall angeraten, die Abwicklung der Lohntransparenz nicht nur auf sich zukommen zu lassen, sondern sich intensiv auf das Auskunftsverfahren vorzubereiten, damit es auch einer rechtlichen Überprüfung standhält.

Wie sich das Auskunftsverfahren letztendlich in der Praxis bewährt, bleibt insgesamt abzuwarten.