Dusch- und Umkleidezeiten als Teil vergütungspflichtiger Arbeitszeit

BAG Erfurt, Urteil vom 23.04.2024 - 5 AZR 212/23

Der Fall:

Der Kläger ist seit 2008 für die Beklagte als Containermechaniker beschäftigt. Neben seiner eigentlichen Arbeit (das „In-Ordnung-Bringen“ von Containern) gehört auch – wenn erforderlich – das Abschleifen rostiger und schadhafter Stellen und eine entsprechende Nachlackierung zu seinen Aufgaben. Nach der Arbeit begibt er sich zurück zum Umkleideraum und wäscht oder duscht sich. Die verunreinigte Arbeitskleidung bleibt im Betrieb und wird vom Arbeitgeber auf seine Kosten gereinigt. Danach begibt sich der Arbeitnehmer zum Zeiterfassungsterminal und gibt weisungsgemäß die von der Beklagten bestimmte Uhrzeit des Endes der Schicht ohne Wasch- bzw. Duschzeiten ein.


Der Kläger verlangt u. a. Arbeitsvergütung für die in der Zeit von Januar 2017 bis April 2022 angefallenen Wege-, Umkleide- und Waschzeiten i. H. v. etwa 25.500 € (geschätzt 55 Minuten pro Arbeitstag).

Die Lösung:

Das Arbeitsgericht hat der Klage für 359 Arbeitstage im Zeitraum von Juni 2020 bis April 2022 ausgehend von arbeitstäglich 20 Minuten vergütungspflichtiger Umkleide- und Körperreinigungszeiten i. H. v. 2.262 € brutto stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Das LAG hat das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Beklagte ausgehend von arbeitstäglich 21 Minuten vergütungspflichtiger Umkleide-, Körperreinigungs- und Wegezeiten verurteilt, an den Kläger für denselben Zeitraum 2.387 € brutto zu zahlen.
Auf die Revision beider Parteien hat das BAG das Berufungsurteil teilweise aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LAG zurückverwiesen.

Das BAG meint:

  • Körperreinigungszeiten sind als vergütungspflichtige Arbeitszeit anzusehen, wenn sie mit der eigentlichen Tätigkeit oder der Art und Weise ihrer Erbringung unmittelbar zusammenhängen und deshalb ausschließlich der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses dienen. Öffentlich-rechtliche und arbeitsschutzrechtliche Vorschriften können für die Abgrenzung und Beurteilung des jeweiligen Einzelfalls Orientierungshilfen bieten.
  • Hat der/die Arbeitnehmende zur Erforderlichkeit von Umkleidezeiten dargelegt, welche Kleidungsstücke er an- und abzulegen hat und wie viel Zeit er jeweils für den Umkleidevorgang benötigt, muss das Gericht den angebotenen Beweis erheben und darf „nicht schätzen“.
  • Gegen eine Schätzung der Umkleidezeit im Selbstversuch durch den Kammervorsitzenden des Arbeits- oder Landesarbeitsgerichts außerhalb der mündlichen Verhandlung bestehen bereits grundsätzliche Bedenken, wenn der Umkleidevorgang nicht parteiöffentlich erfolgt und die Parteien damit keine Möglichkeit haben, die Schätzung zu beobachten und zu den Ausgangsbedingungen Stellung zu nehmen.
  • Körperreinigungszeiten können zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit gehören, wenn sich der/die Arbeitnehmende bei seiner/ihrer geschuldeten Arbeitsleistung so sehr verschmutzt, dass ihm/ihr ein Anlegen der Privatkleidung, das Verlassen des Betriebs und der Weg nach Hause ohne eine vorherige Reinigung des Körpers im Betrieb nicht zugemutet werden kann.
  • Das Waschen, das erforderlich ist, um die übliche Verunreinigung, Schweiß- und Körpergeruchsbildung des Tages zu beseitigen, dient hingegen der Befriedigung privater Bedürfnisse. Es ist nicht ausschließlich fremdnützig und damit nicht vergütungspflichtig.

Hinweis für die Praxis: Eine spannende und ganz wichtige Entscheidung zur Abgrenzung von vergütungspflichtiger Arbeitszeit zum Privatvergnügen des Duschens.