Sie sind (Teil der) Schwerbehindertenvertretung? Dann haben Sie ein sehr anspruchsvolles Amt mit einem wichtigen Auftrag: Sie sollen Ihren schwerbehinderten Kollegen*innen unterstützend und beratend zur Seite zu stehen. Das betrifft teilweise rechtliche Fragestellungen wie auch persönliche Probleme im Arbeitsumfeld und Hilfe bei bürokratischen Angelegenheiten. Doch wie können Sie richtig beraten und optimal helfen – und das, ohne sich selbst aus den Augen zu verlieren? Das ist für viele Vertrauenspersonen gar nicht so einfach. Doch mit der richtigen Herangehensweise und der nötigen Distanz ist eine gute Beratung im Alltag nicht allzu schwer umzusetzen.
Hilfe zur Selbsthilfe, das ist die Devise bei Ihrer Tätigkeit als Vertrauensperson und Berater*in. Ihr Job ist es nicht, den Betroffenen ihre Probleme abzunehmen, sondern diese mit einem offenen Ohr und der richtigen Beratung optimal und nachhaltig zu unterstützen. Vor allem jetzt, wo viele Beschäftigte noch größere Sorgen um ihre Gesundheit, den Arbeitsplatz und die familiäre Situation haben, müssen sich Vertrauenspersonen mehr Zeit nehmen, um in Ruhe zuzuhören und erfolgreich zu beraten. Das kann und soll nicht zwischen Tür und Angel passieren. Daher ist es auch in Zeiten von Homeoffice besonders wichtig, Beratungsgespräche ausschließlich mit Termin zu führen. Gehen Sie daher am besten gar nicht auf spontane und kurzfristige Gespräche ein, sondern bieten Sie an, einen festen Termin zu vereinbaren. Für das Erstgespräch können Sie eine Stunde veranschlagen. Das reicht meistens aus, um grob abschätzen zu können, welches Ausmaß das Problem hat und wie viel Zeit es im weiteren Verlauf evtl. in Anspruch nimmt.
Mit dem Erstgespräch beginnt bereits der Beratungsprozess. Diesen können Sie in vier Schritte einteilen:
Um die Betroffenen bestens beraten zu können, ist es besonders wichtig, das Problem genau zu erfassen. Verlassen Sie sich dabei nicht nur auf das reine Zuhören, denn um alle Informationen richtig aufnehmen zu können, bedarf es weit mehr. Zu jeder Kommunikation gehören beispielsweise auch Mimik, Gestik und Körperhaltung, sogenannte nonverbale Kommunikation, die unbewusst abläuft und nicht bewusst gesteuert werden kann. Das bedeutet, dass wir auch mit dem Körper und sogar mit unserer Kleidung kommunizieren. Wir müssen also nicht nur gut zuhören, sondern auch auf Mimik, Gestik und Körperhaltung unseres Gegenübers achten. Wenn wir dann noch die folgenden Grundregeln guter Kommunikation beachten, steht einem erfolgreichen Beratungsgespräch nichts mehr im Wege.
Gut vorbereiten
Bereiten Sie sich auf Ihr Beratungsgespräch gut vor. Gehen Sie ohne Vorbehalte in das Gespräch, machen Sie sich frei von anderen Themen, die Sie beschäftigen, und stellen Sie sich auf das Thema ein, sofern Sie es bereits kennen. Stellen Sie sich komplett auf „Aufnahme“.
Aktives Zuhören
Hören Sie aktiv zu! Signalisieren Sie dem/der Ratsuchenden, dass seine/ihre Botschaft aufgenommen und verarbeitet wurde. Halten Sie Blickkontakt, wenden Sie sich dem/der Gesprächspartner*in zu, zeigen Sie Aufmerksamkeit, indem Sie z. B. nicken, aber auch, indem Sie versuchen, sich in Ihr Gegenüber hineinzuversetzen. Wiederholen Sie, was inhaltlich und gefühlsmäßig bei Ihnen angekommen ist, z. B. „Wenn ich Sie richtig verstanden habe, sind Sie der Meinung, …“ oder „Sie sagen, die Beschwerden verschlimmern sich in der Nachtschicht?“. So können Sie Fehlinformationen vermeiden, schneller auf einen gemeinsamen Nenner kommen und Empathie zeigen, indem Sie aktiv auf Gefühle eingehen.
Gesprächsführung übernehmen
Sobald Sie sich sicher sind, dass das von Ihnen Gesagte verstanden wurde, überlegen Sie, ob Ihnen noch Informationen fehlen. Oft werden unschöne Details verheimlicht, insbesondere, wenn der/die Kollege*in eine ungute Situation selbst verschuldet hat. Haken Sie lieber einmal mehr als zu wenig nach. Machen Sie dem/der Ratsuchenden klar, dass Sie in allen Situationen beratend zur Seite stehen, es aber keinen Sinn macht, Dinge zu verheimlichen, da sie später eh ans Licht kommen.
Sobald das gesamte Problem erfasst und die Erwartungen der/des Ratsuchenden geklärt sind, können Sie mit der Beratung beginnen. Stellen Sie unbedingt noch einmal klar, dass Sie nicht das Problem lösen, sondern lediglich Handlungsoptionen aufzeigen bzw. bei der Lösungsfindung unterstützen können. Wahren Sie unbedingt Distanz und machen Sie das Problem des anderen nicht zu Ihrem! Die Verantwortung bleibt bei dem/der Kollegen*in. Er/sie entscheidet, welchen Weg er/sie gehen möchte. Ihr Auftrag ist es, ihn/sie über alle rechtlichen und faktischen Möglichkeiten zu informieren, alle Risiken, Vor- und Nachteile der verschiedenen Lösungsmöglichkeiten aufzuzeigen und bei der Lösungsfindung zu unterstützen. Zeigen Sie auch genau auf, wie realistisch die Wunschvorstellungen Ihres/r Gesprächspartner*in sind. Ist es notwendig, externe Stellen aufzusuchen oder beratend anzufragen bzw. juristischen Rat/Unterstützung einzuholen, so sollten Sie den/die Ratsuchende/n auf jeden Fall darauf hinweisen. Denken Sie immer daran, Sie sind kein Jurist und es ist nicht Ihre Aufgabe, juristische Auskünfte zu geben. Sie können lediglich Ihre Einschätzung zum Thema abgeben.
Ziel der Beratung ist es, mit Ihrer Hilfe für den/die Mitarbeiter*in am Ende eine Lösung zu finden, die für ihn/sie akzeptabel und gut umzusetzen ist. Falls nötig, können Sie noch Unterstützung bei der Umsetzung leisten. Aber auch hier bleibt Verantwortung bei dem/der Betroffenen.
von Ilona Hinzmann
Trainerin, systemischer Coach, Beraterin, Mediatorin
Der Weg zu Ihrem (ersten) Inhouse-Seminar
Inhouse-Seminartipp:
Beratungsgespräche in der SBV-Arbeit