von: Vivien Marie Brauer, Dipl.-Jur.
Überstunden sind in vielen Branchen und Berufen eine alltägliche Realität. Sie entstehen, wenn Arbeitnehmer*innen mehr arbeiten, als vertraglich vereinbart oder gesetzlich vorgeschrieben ist, um betriebliche Anforderungen zu erfüllen. Insbesondere durch den aktuellen Fachkräftemangel erhöht sich das Arbeitsaufkommen für Beschäftigte durchschnittlich, sodass Überstunden notwendig werden können. Doch sie werfen auch zahlreiche Fragen und Herausforderungen auf, sowohl rechtlicher als auch praktischer Natur. Wie werden Überstunden vergütet? Wann sind sie zulässig und wie können sie fair gehandhabt werden? Diese und weitere Aspekte sind zentrale Themen, die sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmende betreffen und eine Kenntnis der rechtlichen Vorschriften sowie eine sorgfältige Regelung erfordern.
Überstunden beziehen sich auf Arbeitszeiten, die über die im Arbeitsvertrag festgelegte Regelarbeitszeit hinausgehen. In Deutschland ist die Regelarbeitszeit in der Regel auf 40 Stunden pro Woche festgelegt. Überstunden entstehen, wenn ein*e Arbeitnehmer*in mehr als diese vereinbarte Stundenanzahl arbeitet. Überstunden sind somit direkt an den individuellen Arbeitsvertrag gebunden und variieren je nach Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer*in.
Mehrarbeit hingegen bezeichnet Arbeitszeiten, die die gesetzlich zulässige Höchstarbeitszeit überschreiten. Laut dem Arbeitszeitgesetz (ArbZG) darf die Arbeitszeit in Deutschland acht Stunden täglich nicht überschreiten. Diese kann auf bis zu zehn Stunden täglich verlängert werden, sofern innerhalb von sechs Monaten oder 24 Wochen ein Durchschnitt von acht Stunden pro Werktag nicht überschritten wird, § 3 S. 2 ArbZG.
Die gesetzlichen Regelungen zu Überstunden sind in Deutschland primär im Arbeitszeitgesetz und im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) verankert. Entsprechend § 612 Abs. 1 BGB sind Überstunden grundsätzlich zusätzlich zu vergüten, sofern keine anderslautende Vereinbarung im Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag existiert. Ein gängiger Ansatz zur Vergütung von Überstunden ist die Zahlung eines Überstundenentgelts, das meist höher als der reguläre Stundenlohn ist. Alternativ kann auch ein Freizeitausgleich vereinbart werden, bei dem die geleisteten Überstunden durch bezahlte Freizeit ausgeglichen werden.
Das Arbeitszeitgesetz legt zudem fest, dass Überstunden nur unter bestimmten Bedingungen angeordnet werden dürfen. So müssen betriebliche Notwendigkeiten vorliegen und der Gesundheitsschutz der Beschäftigten muss gewährleistet sein. Darüber hinaus dürfen Überstunden nicht zu einer dauerhaften Überlastung der Arbeitnehmenden führen. Fallen die geleisteten Überstunden sogar unter Nachtarbeit (§ 2 Abs. 4 ArbZG), besteht zusätzlich der Anspruch auf einen angemessenen Nachtarbeitszuschlag.
Neben den gesetzlichen Vorgaben spielen auch tarifliche und vertragliche Regelungen eine wichtige Rolle bei der Handhabung von Überstunden. In vielen Tarifverträgen sind detaillierte Bestimmungen zur Höchstdauer von Überstunden, deren Vergütung und dem Ausgleich durch Freizeit festgelegt. Solche Vereinbarungen bieten oft spezifischere und Arbeitnehmer*innen entgegenkommende Regelungen als das allgemeine Arbeitsrecht.
Ein typisches Beispiel ist der Manteltarifvertrag für den öffentlichen Dienst, der klare Vorgaben zur Anordnung, Vergütung und dem Abbau von Überstunden enthält. In der Regel müssen Überstunden vom Arbeitgeber ausdrücklich angeordnet oder genehmigt werden, um als solche anerkannt zu werden.
Der Arbeitgeber kann auch von seinem Weisungsrecht Gebrauch machen und den Abbau von Überstunden verlangen, insofern dieser nicht bereits anderweitig geregelt ist. Sein Weisungsrecht ist dabei erst einmal vollumfänglich: Er kann beispielsweise bestimmen, ab wie viel Überstunden er einen Abbau verlangt, zu welchem Zeitpunkt abgebaut werden soll und dass der Überstundenabbau unter den Arbeitnehmenden koordiniert wird, um betriebliche Arbeitsabläufe nicht zu stören.
In der Praxis stellt die Umsetzung von Überstundenregelungen Arbeitgeber und Arbeitnehmende häufig vor Herausforderungen. Einerseits ist es für Unternehmen oft notwendig, flexible Arbeitszeitmodelle zu haben, um auf betriebliche Anforderungen reagieren zu können. Andererseits müssen die Interessen und der Gesundheitsschutz der Beschäftigten gewahrt bleiben.
Ein häufiges Problem ist die unzureichende Dokumentation und Anerkennung von Überstunden. Arbeitnehmer*innen sollten daher stets darauf achten, ihre Arbeitszeiten genau zu dokumentieren und Überstunden durch den Arbeitgeber bestätigen zu lassen. Dies kann etwa durch Arbeitszeitkonten oder Zeiterfassungssysteme geschehen.
Ein weiteres Thema ist die psychische und physische Belastung durch Überstunden. Langfristig können regelmäßige Überstunden zu gesundheitlichen Problemen führen, weshalb der Gesetzgeber und die Tarifparteien Regelungen zur Begrenzung von Überstunden eingeführt haben. Arbeitgeber sind zudem verpflichtet, Maßnahmen zum Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz zu ergreifen, um negative Auswirkungen durch Überstunden zu minimieren.
Überstundenregelungen im Arbeitsverhältnis sind daher letztlich ein facettenreiches und wichtiges Thema, das durch eine Vielzahl von gesetzlichen, tariflichen und vertraglichen Bestimmungen geregelt wird. Eine faire und transparente Handhabung von Überstunden ist im Interesse beider Parteien, Arbeitgeber wie auch Arbeitnehmende. Nur so kann eine Balance zwischen den betrieblichen Erfordernissen und den Bedürfnissen der Arbeitnehmenden gefunden werden.