Gilt eine Betriebsvereinbarung trotz fehlerhafter Beschlussfassung des Betriebsrats?

 

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Der Fall:

Arbeitgeber und Betriebsrat streiten darüber, ob eine Betriebsvereinbarung wirksam zustande gekommen ist. Die Arbeitgeberin bat 2014 Betriebsrat und Belegschaft, verschiedene bestehende Betriebsvereinbarungen durch eine neue Betriebsvereinbarung zu ersetzen. Die Mehrheit der Belegschaft sprach sich für die neue Betriebsvereinbarung aus. Daraufhin unterzeichneten der Betriebsratsvorsitzende und der Geschäftsführer die Betriebsvereinbarung. Die übrigen Betriebsratsmitglieder unterzeichneten die Betriebsvereinbarung nachträglich und getrennt voneinander.

Die Arbeitgeberin meint, die Betriebsvereinbarung sei wirksam, da ihr alle Betriebsratsmitglieder zugestimmt hätten. Zwar gebe es keinen Beschluss des Gremiums. Durch die Unterschrift aller Betriebsratsmitglieder sei aber der Rechtsschein einer wirksamen Betriebsvereinbarung gesetzt worden.

Die Lösung:

Die Betriebsvereinbarung ist unwirksam, da es an dem erforderlichen Betriebsratsbeschluss fehlt.

  • Denn der Betriebsrat handelt als Kollegialorgan. Er bildet seinen gemeinsamen Willen durch Beschluss.
     
  • Ein solcher Beschluss liegt nicht vor.
     
  • Auch eine nachträgliche Genehmigung durch eine spätere ordnungsgemäße Beschlussfassung liegt nicht vor, da der Betriebsrat weder ausdrücklich noch konkludent nachträglich den genehmigenden Beschluss gefasst hat. Denn auch der Unterschrift der beiden Betriebsratsmitglieder lag keine Beschlussfassung des Betriebsrats zugrunde.
     
  • Auch aus Gründen des Vertrauensschutzes durfte die Arbeitgeberin nicht davon ausgehen, der Betriebsrat habe die Zustimmung zum Abschluss der Betriebsvereinbarung erteilt.  Vertrauensschutz kann der Arbeitgeber allenfalls für Maßnahmen aus der Vergangenheit beanspruchen, nicht aber, wie er meint, für die Zukunft.

Hinweis für die Praxis:

Eine fehlende Beschlussfassung des Betriebsrats führt allenfalls dazu, dass das Vertrauen des Arbeitgebers auf die Wirksamkeit der abgeschlossenen Betriebsvereinbarung für vergangene Sachverhalte geschützt ist. Nach Bekanntwerden des fehlenden Betriebsratsbeschlusses besteht aber kein Vertrauensschutz mehr.

Allerdings: Wenn etwa die Betriebsparteien eine Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit (§ 87 Absatz 1 Nr. 2 und 3 BetrVG) abgeschlossen haben, der kein oder kein wirksamer Beschluss des Betriebsrats zugrunde lag, entsteht ab Kenntnis des Arbeitgebers von der Unwirksamkeit des Beschlusses nach der Rechtsansicht des LAG Düsseldorf ein "Vakuum". Betriebliche Arbeitszeit darf für die Zukunft nicht (mehr) vom Arbeitgeber angeordnet werden, da es an einer wirksamen Betriebsvereinbarung fehlt.

Das wiederrum wirft weitere wichtige Fragen auf:

  • Darf dann im Betrieb nicht mehr gearbeitet werden, bis eine neue Betriebsvereinbarung zustande gekommen ist?
     
  • Gilt dann möglicherweise wieder die alte Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit (§ 77 Absatz 6 BetrVG - Nachwirkung)?
     
  • Muss der Arbeitgeber vor dem Einsatz eines jeden Arbeitnehmers für jeden Tag vorher die jeweilige Zustimmung des Betriebsrats einholen, da ja die Betriebsvereinbarung unwirksam ist?

Diese und weitere Fragen wird das BAG hoffentlich bald klären.

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