Überstunden auszahlen – das klingt für viele Beschäftigte nach einer attraktiven Möglichkeit, geleistete Mehrarbeit kompensieren zu lassen. Doch rechtlich ist nicht immer eindeutig geregelt, wann Überstunden tatsächlich ausgezahlt werden müssen, ob stattdessen ein Freizeitausgleich möglich ist und wer darüber entscheidet.
Poko bietet zu diesem Themenfeld praxisnahe Seminare für Betriebsräte, gerne auch als Inhouse-Schulung in Ihrem Unternehmen. Dabei stehen nicht nur die rechtlichen Grundlagen zu Überstunden, Freizeitausgleich und Vergütung im Mittelpunkt, sondern auch die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats und bewährte Handlungsmöglichkeiten für die Interessenvertretung.
Seminar: Arbeitszeit und Arbeitszeitgestaltung I
Als Überstunden gelten Arbeitszeiten, die über die vertraglich oder tariflich vereinbarte regelmäßige Arbeitszeit hinausgehen. Entscheidend ist dabei nicht allein die Anzahl der geleisteten Stunden, sondern ob die Mehrarbeit
Auch wenn es keine gesetzliche Definition von „Überstunden“ gibt, orientieren sich Gerichte an der Regelarbeitszeit, die im jeweiligen Beschäftigungsverhältnis gilt.
Nicht zu verwechseln sind Überstunden mit sogenannter Mehrarbeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes (§ 3 ArbZG), das die tägliche Höchstarbeitszeit auf acht Stunden begrenzt. Sie ist jedoch ausdehnbar auf zehn Stunden, sofern ein Ausgleich erfolgt. Überstunden müssen also immer auch im Lichte des Arbeitszeitgesetzes betrachtet werden.
Mehrarbeit vs. Überstunden: Das sind die Unterschiede
Ein allgemeiner gesetzlicher Anspruch auf Auszahlung von Überstunden besteht nicht. Vielmehr richtet sich die Frage, ob und wie Überstunden vergütet werden, nach dem Arbeitsvertrag, einem anwendbaren Tarifvertrag oder einer bestehenden Betriebsvereinbarung. In vielen Verträgen finden sich pauschale Klauseln zur Abgeltung von Überstunden – diese sind jedoch nicht immer rechtlich wirksam.
Fehlt eine ausdrückliche Regelung, kann sich ein Vergütungsanspruch aus § 612 BGB ergeben, sofern die Leistung nur gegen Vergütung zu erwarten ist. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn die Überstunden vom Arbeitgeber angeordnet oder geduldet wurden und die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit überschritten wurde.
Auch die Frage, ob der Arbeitgeber Überstunden auszahlen muss, lässt sich nicht pauschal beantworten, sondern hängt von mehreren Faktoren ab. Grundsätzlich gilt: Wenn ein Anspruch auf Vergütung besteht, muss der Arbeitgeber die Überstunden entweder durch Bezahlung oder durch Freizeitausgleich abgelten. Dabei darf nicht einseitig entschieden werden, wie der Ausgleich erfolgt – der Arbeitgeber kann also nicht nach Belieben bestimmen, ob die Überstunden bezahlt oder „abgefeiert“ werden.
Statt einer finanziellen Vergütung kann ein Freizeitausgleich erfolgen – umgangssprachlich auch als „Abfeiern“ bezeichnet. Voraussetzung ist, dass diese Möglichkeit im Arbeits- oder Tarifvertrag vorgesehen ist oder zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmendem einvernehmlich vereinbart wird.
Beim Freizeitausgleich ist zu beachten, dass dieser in einem angemessenen Zeitraum nach Leistung der Überstunden gewährt werden sollte. Zudem enthalten viele Arbeits- oder Tarifverträge sogenannte Ausschlussfristen: Danach müssen Ansprüche auf Überstundenvergütung innerhalb einer bestimmten Frist, oft drei Monate nach Fälligkeit, schriftlich geltend gemacht werden – sonst verfallen sie.
Wichtig: Wird der Freizeitausgleich krankheitsbedingt nicht wahrgenommen, ist er in der Regel erneut zu gewähren – andernfalls kann ein Auszahlungsanspruch entstehen. Außerdem ist der oder die Beschäftigte während des Freizeitausgleichs weiterhin sozialversichert, es handelt sich also nicht um unbezahlten Urlaub.
Die Entscheidung, ob Überstunden durch Freizeit oder Geld ausgeglichen werden, ist nicht allein Sache des Arbeitgebers. Die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats spielen hier eine zentrale Rolle. Nach § 87 BetrVG hat der Betriebsrat bei Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit sowie bei vorübergehender Verkürzung oder Verlängerung der Arbeitszeit mitzubestimmen.
Auch Regelungen zum Ausgleich von Überstunden – etwa durch ein Zeitkonto – unterliegen der Mitbestimmung. Betriebsräte können somit aktiv daran mitwirken, ob und in welcher Form eine Auszahlung oder ein Freizeitausgleich erfolgt. Eine klare betriebliche Regelung verhindert Missverständnisse und schafft Transparenz.
Symposium Arbeitszeit 2026Ein Anspruch auf Auszahlung kann sich auch bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses ergeben – etwa, wenn keine Gelegenheit zum Abfeiern bestand oder der Freizeitausgleich ausdrücklich verweigert wurde. Auch während einer Elternzeit kann ein Anspruch bestehen, sofern die Überstunden vor Beginn der Elternzeit entstanden sind. In diesen Fällen müssen die Stunden ausgezahlt werden.
Im öffentlichen Dienst gelten spezielle tarifvertragliche Regelungen. Hier wird meist ein Ausgleich in Freizeit bevorzugt, es sei denn, dies ist aus dienstlichen Gründen nicht möglich. Ein Anspruch auf Auszahlung kann sich dann aus dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) oder dem Beamtenrecht ergeben.
Ob es sich lohnt, Überstunden auszahlen zu lassen, hängt von der individuellen Situation ab. Finanziell bietet eine Auszahlung einen unmittelbaren Vorteil – allerdings sind die Beträge voll steuer- und sozialversicherungspflichtig. Gerade bei hoher Steuerprogression kann dies zu einer deutlich höheren Abgabenlast führen.
Ein steuerfreier Ausgleich ist nur in Ausnahmefällen möglich, etwa bei bestimmten Zuschlägen für Nacht- oder Feiertagsarbeit (§ 3b EStG), nicht jedoch bei der reinen Auszahlung von Überstunden. Insofern sollten Beschäftigte – ebenso wie Betriebsräte – sorgfältig abwägen, ob eine Auszahlung sinnvoll ist oder ein Freizeitausgleich vorzuziehen wäre.
Auch bei der Form der Auszahlung gibt es Unterschiede. Manche Arbeitgeber bieten die Möglichkeit, Überstunden gesammelt auszuzahlen – andere zahlen in Teilbeträgen. Hier kann die Steuerwirkung unterschiedlich ausfallen:
Eine Einmalzahlung kann zu
Eine gestaffelte Auszahlung kann steuerlich günstiger sein, da sie den Progressionseffekt abmildert.
Betriebliche Regelungen oder individuelle Vereinbarungen können helfen, steuerliche Nachteile zu vermeiden.
Arbeitnehmer*innen können die Auszahlung von Überstunden beantragen – idealerweise schriftlich. Ein formloser Antrag reicht aus, sollte aber bestimmte Angaben enthalten:
In Betrieben mit Betriebsrat ist es empfehlenswert, sich dort vorab beraten zu lassen. Dieser kann auch bei Auseinandersetzungen zwischen Beschäftigten und Arbeitgeber vermitteln.
Wer Überstunden ausgezahlt bekommen möchte, kann vorab selbst grob berechnen, wie hoch die Vergütung ausfallen könnte.
Ein Beispiel:
Eine Arbeitnehmerin verdient 3.000 € brutto im Monat bei einer 40-Stunden-Woche. Das ergibt einen Bruttostundenlohn von ca. 17,30 € (3.000 € ÷ 173 Stunden = ca. 17,34 €). Die Zahl 173 basiert dabei auf einem vereinfachten Monatsdurchschnitt: 40 Wochenstunden × 13 Wochen ÷ 3 Monate ≈ 173,3 Stunden.
Solche Berechnungen können Beschäftigten und dem Betriebsrat helfen, die wirtschaftlichen Vor- und Nachteile einer Auszahlung im Vergleich zum Freizeitausgleich besser abzuwägen.
Die Frage, ob Überstunden ausgezahlt oder abgefeiert werden sollten, lässt sich nicht pauschal beantworten. Verträge, Gesetze, Tarifverträge und betriebliche Vereinbarungen geben den Rahmen vor – dem Betriebsrat kommt dabei eine wichtige Rolle zu. Er kann für transparente Regelungen sorgen, Beschäftigte beraten und deren Rechte wirksam vertreten.
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