Mobbing hat sich verändert. Wie auch die Menschen sich verändert haben. Und mit ihnen auch die vielfältigen Möglichkeiten für jedermann, über alle möglichen Kanäle des Internets eine große Leserschaft per Mausklick zu erreichen - unzensiert, kostenfrei und schnell.
Parallel dazu hat sich aber auch die Arbeit verblüffend ähnlich verändert: digitaler, unpersönlicher, schneller. Das bedeutet auch, dass man schneller reagieren muss, um Mobbingprozesse wirksam unterbinden zu können.
Aber erstmal durchatmen, langsam und der Reihe nach:
In einer repräsentativen Studie zu diesem Thema, in der über 1.000 Arbeitnehmer in Deutschland über 18 Jahren befragt und die vom Büroausstatter Viking in Auftrag gegeben wurde, wurde deutlich, dass dieses Thema in den letzten Jahren nicht nachgelassen, sondern eher noch zugenommen hat.
Interessant dabei ist auch, dass einerseits etwa die Hälfte der Führungskräfte keinen richtigen Plan hat, wie sie in einer Mobbingsituation reagieren sollte, doch andererseits glauben genauso viele fest daran, dass sie in der Lage sind, das Klima in ihrem Unternehmen so zu gestalten, dass Mobbing gar nicht erst auftritt. Sicher steckt bei diesen nicht ganz in Einklang zu bringenden Aussagen ein frommer Wunsch dahinter, dass schon nichts passieren wird. Sehr wenige Manager (ca. 17 %) nämlich trauen sich zu, dass sie Mobbinganzeichen sicher erkennen könnten.
Ich habe auch eine Erklärung dazu: In vielen Führungskräftetrainings, in denen es um „gesundheitsgerechtes Führen“ geht, wird mir immer wieder erzählt, dass zum Führen oft schlichtweg keine Zeit ist. Damit geht auch mehr und mehr der Kontakt zur Basis verloren, um solche Prozesse schnell und zielsicher identifizieren und gegensteuern zu können. Führungskräfte sind immer wieder überrascht, dass zum Führen Nähe gehört, Sensibilität und Empathie. Auch um diese gefährlichen Situationen oder auch Gefährdungen zu spüren.
An dieser Stelle sind die betrieblichen Interessenvertretungen um Mithilfe gefragt: Zum einen sind sie meist näher an der Basis dran, und zweitens sind sie oft die wesentlichen Gestalter der Prozesse innerhalb der Gefährdungsbeurteilungen psychischer Belastungen – obwohl das nach §5 ArbSchG die Aufgabe der Arbeitgeber ist. Doch nach §80 BetrVG ist es wiederum die Aufgabe der Betriebsräte, „darüber zu wachen, dass die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze (…) durchgeführt werden.“ Somit ist also der Betriebsrat bei Mobbingvorfällen, die sicherlich eine besondere psychische Belastung darstellen, als auch beim Arbeits- und Gesundheitsschutz und beim BEM (in Zusammenhang mit Mobbing dann, wenn jemand dadurch länger als insgesamt 6 Wochen im zurückliegenden Jahr ausfällt) immer mit im Boot.
Mobbing ist kein böswilliges Treiben von gestörten Psychopathen, dem Einhalt geboten werden muss, sondern eine missglückte Kommunikationsstruktur im Unternehmen, die zu Unzufriedenheit, Ärger und Aggressionen führt. Wenn es gelingt, die Ursachen dieser Gefährdungen zu analysieren und Maßnahmen dagegen zu entwickeln, bevor Sündenböcke gefunden werden, die gemobbt werden, haben wir eine realistische Chance. Und das sollte doch in einer Zeit, in der viel von Achtsamkeit gesprochen wird, nicht allzu schwer sein. Die Instrumente dazu jedenfalls sind im Arbeitsschutzgesetz verankert. Die Umsetzung geht zwar nicht per Mausklick, dafür aber mit einer deutlich höheren Wirksamkeit.