Der Betriebsrat kann nach § 39 BetrVG während der Arbeitszeit Sprechstunden für die Mitarbeiter einrichten. Diese Möglichkeit besteht unabhängig von der Anzahl der Beschäftigten im Betrieb. Eine gesetzliche Verpflichtung zur Durchführung von Sprechstunden besteht nicht – vielmehr liegt die Entscheidung darüber im Ermessen des Betriebsratsgremiums
Ein guter Kontakt zur Belegschaft ist die Basis für eine erfolgreiche Interessenvertretung. Sprechstunden bieten dabei eine wichtige Möglichkeit, nah an den Beschäftigten zu sein und Vertrauen aufzubauen.
Sie geben den Beschäftigten die Möglichkeit, ihre Anliegen, Beschwerden oder Anregungen in einem vertraulichen Rahmen vorzubringen. Der Betriebsrat kann den Kollegen auf diese Weise Unterstützung bei arbeitsrechtlichen Fragen bieten und eine Anlaufstelle für betriebsspezifische Anliegen schaffen.
Ob Sprechstunden sinnvoll sind, hängt sicher auch von der Größe und Struktur des Betriebs ab. Insbesondere in größeren Betrieben mit unterschiedlichen Betriebsteilen oder Schichtsystemen können sie von Vorteil sein. In kleineren Betrieben hingegen sind sie möglicherweise weniger notwendig. Daher sollte jedes Gremium individuell prüfen, ob regelmäßige Sprechstunden im eigenen Betrieb sinnvoll und nützlich sind.
Der Betriebsrat entscheidet allein nach pflichtgemäßem Ermessen, ob er Sprechstunden einrichten und in welcher Art und Weise (z. B. persönlich, als Video- oder Telefonbesprechung) er diese durchführen will. Die Entscheidung hierüber trifft er durch ordnungsgemäßen Beschluss.
Eine Zustimmung des Arbeitgebers ist für die Einrichtung und Organisation der Sprechstunden nicht erforderlich. Lediglich über Ort (also die Räumlichkeit) und Zeit (z. B. Lage, Dauer, Häufigkeit) der Sprechstunden ist mit dem Arbeitgeber gemäß § 39 Abs. 1 S. 2 BetrVG eine Vereinbarung zu treffen. Kommt eine Einigung zwischen dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat hierüber nicht zustande, so entscheidet gemäß § 39 Abs. 1 S. 3 BetrVG die Einigungsstelle.
Sofern der Betriebsrat die Sprechstunden außerhalb der Arbeitszeit und außerhalb des Betriebs durchführt, ist eine Vereinbarung mit dem Arbeitgeber nicht erforderlich.
Die Durchführung der Sprechstunden gehört zur laufenden Geschäftsführung des Betriebsrats. Der Betriebsrat bestimmt selbst durch Beschluss, welches oder welche Mitglieder er hiermit beauftragt. Ohne anderslautende Entscheidung liegt die Verantwortung beim Betriebsratsvorsitzenden oder seinem Stellvertreter.
Besteht ein Betriebsausschuss, so bestimmt dieser die Modalitäten der Durchführung.
Neben dem Angebot regelmäßiger Sprechstunden ist auch eine Durchführung aus aktuellem Anlass möglich.
Auch wenn das Gesetz dies nicht ausdrücklich regelt, können Sprechstunden auch über Video- oder Telefonkonferenz abgehalten werden. In Zeiten von Homeoffice & Co. dürfte die Möglichkeit einer digitalen Sprechstunde auch immer mehr an Bedeutung gewinnen. Wenn der Betriebsrat diese Option anbietet, muss jedoch sichergestellt sein, dass Dritte keine Kenntnis vom Inhalt erlangen können.
Der Arbeitgeber ist seinerseits verpflichtet, in erforderlichem Umfang Räumlichkeiten und Infrastruktur (z. B. Tische, Stühle, Telefon, Laptop) für die Durchführung der Sprechstunde während und außerhalb der Arbeitszeit zur Verfügung zu stellen (§ 40 Abs. 2 BetrVG).
Berechtigt, die Sprechstunden zu besuchen, sind grundsätzlich alle Arbeitnehmer des Betriebs einschließlich der im Betrieb tätigen Leiharbeitnehmer. Sie dürfen die Sprechstunden des Betriebsrats in allen Angelegenheiten aufsuchen, die mit ihrer Stellung als Arbeitnehmer des Betriebs zusammenhängen und in den Aufgabenbereich des BR fallen.
Nicht zulässig ist der Besuch der Sprechstunden für die Erörterung rein persönlicher Angelegenheiten, die in keinem Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis oder dem betrieblichen Geschehen stehen.
Die jeweiligen Arbeitnehmer müssen sich bei ihren Vorgesetzten ab- und wieder zurückmelden. Sie sind aber nicht verpflichtet, dem Vorgesetzten den Anlass des Besuches beim Betriebsrat mitzuteilen.