Zum Start in das Ausbildungsjahr 2023/2024 im vergangenen August/September haben auch in vielen eurer Betriebe wahrscheinlich wieder „neue“ Azubis den Schritt in die Ausbildungswelt gewagt. Inzwischen haben sie die Anfangsphase hinter sich und erste Eindrücke vom Betrieb, den Kolleg*innen und dem gewählten Ausbildungsberuf gewonnen.
Wenn dabei in den ersten Monaten nicht alles rund läuft, kommen auch schon mal Zweifel auf: Habe ich den richtigen Ausbildungsberuf gewählt? Passt der Ausbildungsbetrieb zu mir? Komme ich mit dem*der Ausbilder*in klar?
Es ist ganz natürlich, dass sich viele Auszubildende gerade zu Beginn ihrer Ausbildungszeit mit Fragen dieser Art beschäftigen und sich schon bei kleineren Startschwierigkeiten zunächst verunsichern lassen.
Oft lassen sich aber Steinchen oder sogar größere Brocken schnell aus dem Weg räumen und innerhalb kurzer Zeit sind die Zweifel vergessen, vielleicht neue Freundschaften geschlossen und die gestellten Aufgaben gehen leicht von der Hand.
Dass das allerdings nicht immer so ist, belegt der „Datenreport zum Berufsbildungsbericht 2023“, der vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) jährlich herausgegeben wird. Demnach wurden im Jahr 2021 von den geschlossenen Verträgen für eine duale Berufsausbildung 26,7 % vorzeitig wieder gelöst. Eine nicht ganz unerhebliche Quote, die im Vergleich zum Vorjahr noch um 1,6 Prozentpunkte gestiegen ist (2020:
25,1 %). Insbesondere vor dem Hintergrund des bestehenden und weiter zunehmenden Fachkräftemangels klingt diese Entwicklung zunächst alarmierend.
Aber wie funktioniert eigentlich eine vorzeitige Lösung des Ausbildungsvertrags rechtlich gesehen und was lässt sich faktisch tatsächlich aus den Daten ablesen? Diesen Fragen wollen wir hier für euch nachgehen:
Vorzeitige Beendigung des Ausbildungsvertrags – wie und in welchen Fällen geht das?
Unter vorzeitig gelösten Ausbildungsverträgen sind solche zu verstehen, die vor Ablauf der vereinbarten Ausbildungsdauer beendet werden. Nicht gemeint ist dabei die Beendigung der Ausbildung durch (vorzeitiges) Bestehen der Abschlussprüfung (§ 21 Abs. 2 Berufsbildungsgesetz).
Je nach Stadium des Ausbildungsverhältnisses sehen die Lösungsmöglichkeiten unterschiedlich aus.
Eine Form der vorzeitigen Beendigung von Berufsausbildungsverhältnissen ist die Kündigung des Ausbildungsvertrags, die in § 22 Berufsbildungsgesetz (BBiG) geregelt ist.
Jede Ausbildung beginnt zunächst mit einer Probezeit von mindestens einem Monat und höchstens vier Monaten. Das ist sozusagen eine gegenseitige Kennenlernphase. Während dieser Zeit kann das Ausbildungsverhältnis nach § 22 BBiG jederzeit ohne Angabe von Gründen fristlos gekündigt werden – sowohl von der*dem Auszubildenden als auch vom Arbeitgeber. Die Beendigung des Ausbildungsverhältnisses tritt dann grundsätzlich mit Zugang der Kündigung sofort in Kraft.
Die Kündigung muss schriftlich erfolgen (§ 22 Abs. 3 BBiG) und der jeweils anderen Partei vor Ende der Probezeit zugegangen sein. Bei minderjährigen Auszubildenden muss die Kündigung auch dem*der gesetzlichen Vertreter*in zugehen bzw. wenn der*die Auszubildende selbst kündigt, müssen auch dessen*deren Erziehungsberechtigte die Kündigung unterschreiben.
Nach der Probezeit kann nur der*die Auszubildende das Ausbildungsverhältnis ordentlich kündigen mit einer Frist von 4 Wochen und das auch nur dann, wenn er*sie
Eine ordentliche Kündigung aus anderen Gründen ist unzulässig.
In Betracht kommt dann nur noch eine sogenannte fristlose Kündigung.
Eine solche ist zwar grundsätzlich von beiden Seiten, also sowohl dem*der Auszubildenden als auch dem Ausbildungsbetrieb, möglich. In Anbetracht der besonderen Bedeutung des Ausbildungsverhältnisses für die berufliche Entwicklung ist eine fristlose Kündigung aber nur erlaubt, wenn es hierfür einen wichtigen Grund gibt. Einen solchen können insbesondere schwere Pflichtverletzungen entweder seitens des*der Ausbilders*in oder des*der Auszubildenden darstellen.
In den meisten Fällen muss der fristlosen Kündigung eines*r Auszubildenden mindestens eine schriftliche Abmahnung aus dem gleichen Grund vorausgegangen sein. Ausgenommen sind besonders schwere Vergehen wie beispielsweise ein tätlicher Angriff auf den*die Ausbilder*in. In diesem Fall kann das Ausbildungsverhältnis auch ohne vorherige Abmahnung beendet werden. Außerdem muss die Kündigung unmittelbar erfolgen, das heißt der Kündigungsgrund darf dem Ausbildungsbetrieb nicht länger als zwei Wochen bekannt gewesen sein.
Neben der Kündigung stellt insbesondere der Abschluss eines Aufhebungsvertrags eine weitere Möglichkeit zur vorzeitigen Auflösung des Ausbildungsverhältnisses dar. Dieser ist eine Vereinbarung zwischen Ausbilder und Azubi darüber, dass die Ausbildung nicht länger fortgesetzt werden soll. Mit einem Aufhebungsvertrag beenden der*die Auszubildende und der Arbeitgeber das Ausbildungsverhältnis also einvernehmlich und es braucht keinen Kündigungsgrund.
Vertragslösung = Ausbildungsabbruch?
Die Zahl der jungen Menschen, die ihren Ausbildungsvertrag vorzeitig lösen, klingt zunächst viel und jede Vertragslösung ist grundsätzlich eine zu viel. Aber bedeutet eine Vertragslösung auch immer eine endgültige Aufgabe der Berufsausbildung?
In nicht wenigen Fällen ist es sicher so, dass sich die jungen Menschen, die ihren Ausbildungsvertrag vorzeitig lösen, damit auch insgesamt gegen eine duale Berufsausbildung entscheiden.
Aber nicht jede Beendigung des Ausbildungsvertrags ist automatisch gleichzusetzen mit einem Ausbildungsabbruch. Vielmehr ist anzunehmen, dass auch ein Großteil derer, die sich von ihrem aktuellen Ausbildungsbetrieb lösen, relativ zeitnah erneut einen Ausbildungsvertrag anderswo abschließen. Auch der Datenreport des BIBB betont, dass die Vertragslösungsquote nicht gleich Abbruchquote ist.
Gerade in der aktuellen Lage, in der es ein wachsendes Angebot an offenen Ausbildungsstellen gibt, besteht bei Unzufriedenheit mit einer Ausbildungsstelle auch eher die Chance zu einem Wechsel. Und so orientieren sich Auszubildende häufiger um anstatt die aktuelle Ausbildung zu beenden.
Als Gründe für eine vorzeitige Vertragslösung werden dabei von den Jugendlichen bzw. (ehemaligen) Auszubildenden laut dem Datenreport überwiegend die betrieblichen Ausbildungsbedingungen genannt, z. B. Konflikte mit Ausbildern*innen und Vorgesetzten oder auch Arbeitsbedingungen wie unbezahlte Überstunden, ungünstige Arbeitszeiten und Urlaubsregelungen.
Als Fazit bleibt festzuhalten, dass es natürlich keinen Sinn macht, nach dem Motto „Augen zu und durch“ eine Ausbildung durchzuziehen, die einem überhaupt nicht liegt. Schließlich will niemand die nächsten 40 Jahre in einem ungeliebten Beruf verbringen. Sicher ist aber auch, dass mit einer vorzeitigen Vertragslösung meist auch enttäuschte Erwartungen einhergehen sowie vergebliche Investitionen und berufliche Umwege.
Dafür, dass es erst gar nicht so weit kommt und die Auszubildenden in eurem Betrieb rundum zufrieden sind und ihre Ausbildung erfolgreich beenden, könnt auch ihr als JAV etwas tun. Denn ihr könnt euch z. B. einsetzen für eine bessere Ausbildungsqualität und Ausbildungsbedingungen, eine gute Kommunikation mit Ausbilder*innen, attraktive Benefits auch für Auszubildende und, und, und...
P.S.: Den kompletten Datenreport des BIBB könnt ihr übrigens hier abrufen: https://www.bibb.de/datenreport/de/175452.php