Unternehmenswerte vorleben und leben

730x300- lachende Gruppe junger Menschen mit älterer Frau

Es soll hier nicht so getan werden, als sei jedes Team in der Lage, ein wertvolles Leitbild zu entwickeln und danach zu arbeiten. So wie es Menschen gibt, deren Sinnverlust u. U. einhergeht mit psychischen Krankheiten, gibt es auch Teams, denen der Sinn ihrer Tätigkeit abhanden gekommen ist. Da fällt auch die Leitbildentwicklung schwer bzw. zeigt nicht die beabsichtigte Wirkung. Da ist die Entwicklung eines Leitbilds nicht das Allheilmittel, sondern muss eingebettet sein in ein Feld, das sinnerfülltes, werteorientiertes Handeln möglich macht.

Sinnverlust entsteht z. B. durch:

  • Mangelnde Entscheidungsfreiheit: Prüfen Sie sich als Führungskraft, ob Sie Ihrem Team genügend Spielräume für Entscheidung und Selbstorganisation geben.
  • Verlust der Verantwortung: Vollautomatisierte Handlungsabläufe oder Übernahme von Verantwortung durch Kolleg/innen schmälert die Sinnhaftigkeit des eigenen Tuns. Eine hoch wirksame Mobbingstrategie ist die Wegnahme von Verantwortung, weil sie den Menschen den Sinn ihrer Tätigkeit nimmt. Aber auch schleichend kann Verantwortung und damit Sinn abhanden kommen, wenn ein System der Beliebigkeit entstanden ist, das Verantwortungsübernahme ersetzt.
  • Unterforderung: Können Menschen mehr als das, was sie tagtäglich einbringen können, verliert für sie ihre Arbeit an Sinn. Sie fühlen sich nicht gesehen und nicht wertgeschätzt. Ihre Stärken verpuffen, anstatt irgendwo sinnvoll zum Tragen zu kommen. Anstrengung lohnt sich nicht.
  • Übertriebene Beschäftigung mit sich selbst: Achten Sie darauf, dass der Fokus der Aufmerksamkeit nicht zu sehr bei der eigenen Nabelschau liegt. Hören Sie genau hin: geht es in Erzählungen vorrangig darum, was wir heute getan haben oder sind die (internen oder externen) Kunden im Blick? Und die Argumente für oder gegen Veränderungen: Gehen die von den Bedürfnissen der Kunden oder der Mitarbeiter/innen aus?

Das Leitbild soll Ihrem Team als Orientierung dienen, der Arbeit einen Sinn und eine Richtung geben. Arbeiten Sie als Führungskraft gegebenenfalls erst mal an den obengenannten Faktoren, wenn die Beschäftigung mit Sinnfragen ihrem Team schwer zu fallen scheint. So wie ein Depressiver sich auf die Sinnsuche machen muss und notfalls professionelle Hilfe dafür in Anspruch nehmen muss, braucht evtl. auch Ihr Team Unterstützung dabei, einen neuen Sinn für sich zu entdecken.

Seinen Sie sich dabei stets der großen Verantwortung als Vorbild für ihr Team bewusst. Es geht nicht in erster Linie drum, hier mit Mitarbeiter/innen etwas zu produzieren, das dann auf schönem Papier kreativ gestaltet in die Hand genommen werden kann. Die Nachhaltigkeit eines solchen Leitbildprozesses hängt maßgeblich an der Führungskraft. Kann nach einem Jahr keiner mehr benennen was im Leitbild steht, weil es keine Grundlage für strategische und alltägliche Entscheidungen darstellt, ist dies ausschließlich der Führungskraft anzulasten. Sie muss sich fragen: Bin ich als Führungskraft eher so etwas wie der Zeitableser, der misst und das Voranschreiten der Zeit im Blick hat oder bin ich der Uhrmacher, der Zeichen setzt und Werte schafft?

Die Führungskraft muss die Initiative und Begleitung eines Leitbildentwicklungsprozesses als einen Dienst an ihren Mitarbeiter/innen ansehen. Sie ist optimalerweise in der Rolle der dienenden Führung, ihre Führungsarbeit ist eine Dienstleistung, die ihre Mitarbeiter/innen in der sinnvollen und bestmöglichen Erfüllung ihrer Aufgaben unterstützt.

Das Konzept der Dienenden Führung aus den 70er Jahren (Servant leadership von Greenleaf) hat gerade vor dem Hintergrund der weltweiten Wirtschaftskrise eine Renaissance erfahren. Es geht hier nicht um Dienen im Sinne von Unterwerfung und Anpassung, sondern ganz im Gegenteil: Um aktives Dienen, am Dasein, um Unterstützen und Ermöglichen. Es geht darum, dass Führungskräfte sich in erster Linie in der Verantwortung für andere sehen, anstatt um einen Gewinn von Macht und Privilegien.

Das Dienen bezieht sich hierbei nicht nur auf die Mitarbeiter/innen, sondern geht weit darüber hinaus: Im Dienste sozialer und globaler Verantwortung stehen. Es geht darum, dass wir alle - und Menschen in einflussreichen Führungspositionen erst recht- Verantwortung übernehmen für Überleben und Leben in einer besseren Welt. Soziale und globale Verantwortung spielen in der Arbeitswelt zunehmend eine immense Rolle, und zwar mittelbar über die Märkte, aber auch unmittelbar durch das eigene strategisches Handeln. Ihre Rolle lässt sich mit der des Dienend Führenden im Interesse der Welt von morgen am besten beschreiben. Da geht es z. B. um die Themen Vereinbarkeit Arbeit und Familie, Umgang mit Vielfalt (Nationalität, Kultur, Andersein…), Ökologie, Datenschutz. Das alles sind soziale und globale Werte, für die Führungskräfte ebenso Verantwortung tragen, wie für das Leiten ihrer Teams und des Unternehmens. Mit diesem horizonterweiternden Rollenverständnis lebt die Führungskraft das i.d.R. formulierte ganzheitliche Menschenbild des Leitbildes auch in ihrem eigenen Führungshandeln konsequent vor.