Für den Bereich der praktischen Umsetzung gibt es bislang wenig Erfahrung. Zwar unterstützen Großunternehmen die Inklusion und haben mit Business and Disability ein europäisches Netzwerk gegründet. Das Netzwerk fördert Initiativen zur Einbeziehung von Menschen mit Behinderung und unterstützt den Gedankenaustausch zwischen Akteuren aus Unternehmen und Politik und Menschen mit Behinderung. Business and Disability hat es sich zur Aufgabe gemacht, Menschen mit Behinderung in alle Aspekte der europäischen Gesellschaft namentlich als Arbeitnehmer, Verbraucher und politische Entscheidungsträger einzubeziehen.
Zu den Mitgliedern von Business and Disability zählen führende Unternehmen der verschiedenen Branchen. Sie befassen sich vorrangig mit Fragen der psychischen Barrierefreiheit der I-Barrierefreiheit von Produkten und Dienstleitungen und der Beschäftigung. Gründungsmitglieder von Business and Disability sind Adecco, Hewlett Packard, IBM, Manpower, Microsoft und Schindler.
In der Präambel der UN-Behindertenrechtskonvention ist Behinderung wie folgt definiert:
„…Behinderung entsteht aus der Wechselwirkung zwischen Menschen mit Beeinträchtigungen und einstellungs- und umweltbedingten Barrieren, die sie an der vollkommen wirksamen und gleichberechtigten Teilnahme an der Gesellschaft hindern….“
Behinderung ist nach der UN-Behindertenrechtskonvention ein normaler Bestandteil menschlichen Lebens und weder die Abweichung von einer Norm noch ein rein persönliches Schicksal.
Ausgangspunkt der Inklusion als Ziel der UN-Behindertenrechtskonvention ist die Anerkennung der Vielfalt.
In der Inklusion sind einfach alle unterschiedslos und namenlos verschieden.
Aktionspläne zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention dienen dazu, die eher unkonkreten Ideen und Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention in konkrete Ziele, Maßnahme und Aktionen zu überführen. Die Bundesregierung hat einen nationalen Aktionsplan am 15.06.2011 durch das Bundeskabinett verabschiedet. Auch in den einzelnen Bundesländern sind Aktionspläne verabschiedet worden.
Betriebliche Aktionspläne sind bislang noch die Ausnahme. Die UN-Behindertenrechtskonvention sieht vor, dass die Teilhabe und Teilnahme von Menschen mit Behinderung an einem inklusiven Arbeitsmarkt ermöglicht wird. Zur Schaffung dieses inklusiven Arbeitsmarktes sind neben den staatlichen Akteuren auch Betriebe, Einrichtungen und Dienste aufgerufen.
Betriebliche Aktionspläne können ein Bewusstsein schaffen für die Themen Bewusstseinsbildung, Öffentlichkeitsarbeit, Arbeitsplatzgestaltung, Beschäftigung, Ausbildung, Bildung und Qualifizierung, soziale Leistungen, Gesundheitsmanagement, Prävention und Reha, Mobilität und Barrierefreiheit, Gebäude und Gelände und Arbeitssicherheit und Barrieren.
Vorteil eines Aktionsplans ist zunächst die Bewusstseinsbildung zu den innerbetrieblichen Barrieren. Beispielhaft seien zu nennen:
Betrachtet man diese Barrieren, so stellt man relativ rasch fest, dass neben den Mitarbeitern mit einer klassischen Behinderung im Sinne der Regelung des § 2 SGB II alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter profitieren können.
Betriebliche Aktionspläne sind die logische Fortführung der ethischen Verpflichtungen, in die sich Einrichtungen und Betriebe durch Unternehmensleitbilder, Ethikrichtlinien oder Code of Conduct gegeben haben.
Die Umsetzung eines Aktionsplans wird im Unternehmen vom Inklusionsteam gesteuert (vgl. BEMteam), das sich aus schwerbehinderten Vertrauenspersonen, Mitarbeitervertretung und den Arbeitgeberbeauftragten zusammensetzt. Die jeweiligen Fachabteilungen sind für die Umsetzung verantwortlich.
Die Umsetzung erfolgt auch mit externen Partnern. Dazu gehören beispielsweise die Länderministerien, Dachorganisationen, die Kommunen, Rentenversicherungsträger, Krankenversicherungen, Integrationsämter, Organisationen von Menschen mit Behinderung, Sozialverbände, Hochschulen, Bundesagentur für Arbeit und Integrationsfachdienste.
Nicht alle Maßnahmen können sofort umgesetzt werden. Deshalb tun betriebliche Aktionspläne gut daran, Handlungsfelder für die jährliche Behandlung zu definieren und langfristig abzuarbeiten.
In der Planungsphase wird ein Handlungsfeld zum Schwerpunktthema des nachfolgenden Jahres festgesetzt. Danach wird im Rahmen des Handlungsfeldes ein Umsetzungsplan mit den betroffenen Geschäftsbereichsleitungen entwickelt. Die Umsetzung wird evaluiert. Hierzu gehören folgende Handlungsschritte:
aa. Definition der Maßnahme
bb. Messbarkeit der Maßnahme
cc. Akzeptanz der Maßnahme in den Bereichen
dd. konkreter Zeitplan zur Umsetzung
In einem ersten Schritt erfolgt also eine Bestandsaufnahme. Auf Basis der Bestandsaufnahme wird in Kombination mit den gesetzten Zielen, Kosten und Kapazitäten der Maßnahme ermittelt und sodann als Maßnahmenkatalog beschlossen.
Die Geschäftsbereiche oder Fachbereiche beginnen mit der Umsetzung. Sie berichten dem Inklusionsteam.
Nach Abschluss und Implementierung werden die Maßnahmen evaluiert und auf ihre Praktikabilität hin geprüft.
Insgesamt werden Handlungsfelder bei Abschluss des Aktionsplans festgelegt. Typische Handlungsfelder sind
Die Themenfelder finden ihre rechtliche Stütze in den Regelungen der UN BRK.
Arbeitsplatzgestaltung, Beschäftigung – der Hintergrund (Art. 27 der UN-Behindertenrechtskonvention Arbeit und Beschäftigung)
Ziel: die Beschäftigungsfähigkeit bei Menschen, die im Laufe des Berufslebens eine Behinderung erwerben, durch die Gestaltung des Arbeitsplatzes bzw. durch flexible Arbeitsorganisation sicherzustellen.
Maßnahmen…
Ausbildung, Bildung und Qualifizierung, (Art. 24 der UN-Behindertenrechtskonvention Bildung)
Ziel: die Ausbildung von behinderten Jugendlichen und jungen Menschen zu fördern
Maßnahmen: Ziel barrierefreier Zugang
Soziale Leistungen (Art. 30 der UN-Behindertenrechtskonvention Teilhabe am kulturellen Leben sowie an Erholung, Freizeit und Sport)
Ziel: die sozialen Leistungen der Einrichtungen so zu gestalten, dass sie von Mitarbeitern mit und ohne Behinderung gemeinsam wahrgenommen werden können oder dass sie den Bedürfnissen von Menschen mit Behinderung besser gerecht werden.
Maßnahmen:
Gesundheitsprävention und Rehabilitation (Art. 26 der UN-Behindertenrechtskonvention Habilitation und Rehabilitation)
Ziel: das Gesundheitsmanagement und Präventionsmaßnahmen sowohl im Betrieb, wie auch bei externen Partnern, so zu gestalten, dass auch Menschen mit Behinderung barrierefrei daran teilhaben können.
Maßnahmen:
Ziel: das betriebliche Eingliederungsmanagement kontinuierlich zu verbessern.
Maßnahmen:
Mobilität und Barrierefreiheit, Gebäude- und Werksgelände, Arbeitssicherheit (Art. 9 der UN-Behindertenrechtskonvention Zugänglichkeit)
Ziel: die Infrastruktur barrierefrei inklusiv nach dem Prinzip des Universal Design auszugestalten.
Maßnahmen:
Barrierefreie Kommunikation und Information (Art. 9 der UN-Behindertenrechtskonvention Zugänglichkeit)
Ziel: Barrierefreie Kommunikation für Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen wird konsequent weiterentwickelt.
Maßnahmen: Internetauftritt in leichter Sprache, Induktionsanlage für Höreingeschränkte Menschen überall.
Was die Schwerbehindertenvertretung dafür tun kann:
Bei der auf Inklusion ausgerichteten beruflichen Teilhabe und deren Unterstützung und Förderung können die Schwerbehindertenvertretungen eine entscheidende Rolle spielen. Etwa, indem sie
Autorin: L. Wocken, Fachanwältin für Arbeitsrecht
Inklusion bedeutet, eine vielfältige, barrierefreie und wertschätzende Gesellschaft zu gestalten, in der jeder Mensch mit seinen individuellen Fähigkeiten und Wünschen selbstbestimmt leben kann.
Inklusionsunternehmen sind wirtschaftliche Unternehmen des allgemeinen Arbeitsmarktes, in denen Menschen mit und ohne Behinderung gleichberechtigt zusammen arbeiten.
Die von der „Fachgruppe Inklusive Qualität“ für die bag if entwickelten Leitlinien verstehen sich als Orientierungshilfe, um operationale Ziele für die Organisationsentwicklung in Inklusionsunternehmen zu entwickeln und das Profil der Inklusionsunternehmen zu schärfen.
Zur Implementierung und Überprüfung der inklusiven Standards stellt die bag if beispielhaft eine Checkliste zur Selbstbewertung der Inklusionsunternehmen zur Verfügung.
Inklusionsunternehmen verfolgen eine Philosophie der gemeinsamen Beschäftigung von Menschen mit und ohne Behinderung. Sie entwickeln und leben eine Unternehmenskultur, die sich durch Anerkennung der Vielfalt, Fairness, Solidarität und Wertschätzung auszeichnet. Dies ist in einem Leitbild konkretisiert.
Barrierefreiheit ist Grundvoraussetzung zur Inklusion. Inklusionsunternehmen fühlen sich deshalb in besonderem Maße einer umfassenden Barrierefreiheit verpflichtet.
Barrierefreiheit bedeutet für Inklusionsunternehmen, die uneingeschränkte Zugänglichkeit und Nutzbarkeit aller Unternehmensangebote für Mitarbeitende, Kunden, Partner sowie Interessierte mit und ohne Behinderung sicherzustellen.
Die wirtschaftliche Aktivität von Inklusionsunternehmen ist durch soziales Verantwortungsbewusstsein geprägt. Mitarbeitende erhalten feste und, sofern möglich, unbefristete Arbeitsverträge zu einem marktüblichen bzw. tariflichen Lohn. Der Erhalt von Arbeitsplätzen hat Priorität.
Inklusionsunternehmen verwirklichen Chancengleichheit. Durch gezielte Qualifizierungs- und Ausbildungsmaßnahmen fördern und ermöglichen sie die persönliche und berufliche Entwicklung von Mitarbeitenden mit und ohne Behinderung. Beschäftigte mit Behinderung werden auch auf qualifizierten Arbeitsplätzen in allen Unternehmensbereichen eingesetzt.
Inklusionsunternehmen haben eine transparente Unternehmensstruktur und gewährleisten, dass Aufgaben, Kompetenzen und Funktionen in Form von Stellenbeschreibungen und Verfahrensanweisungen klar definiert und barrierefrei zugänglich sind. Entscheidungen und Entscheidungsprozesse werden offen und verständlich kommuniziert.
In Inklusionsunternehmen werden übergeordnete Führungsleitlinien festgeschrieben und gelebt. Führungskräfte müssen neben ihren klassischen Führungsaufgaben auch den besonderen Anforderungen gerecht werden, die sich aus der gemeinsamen Beschäftigung von Menschen mit und ohne Behinderung ergeben. Dazu gehört, Führungsaufgaben empathisch und vorurteilsfrei auszuführen. Zu den Aufgaben wertschätzender Führung gehören zum Beispiel regelmäßige Rückmeldegespräche, kontinuierliche Teamentwicklung und Supervision.
Inklusionsunternehmen bringen die individuellen Ressourcen der Mitarbeitenden und die betrieblichen Anforderungen zielgerichtet in Einklang. Sie ermitteln regelmäßig den für einen nachhaltigen Betrieb des Unternehmens notwendigen Qualifikationsbedarf von Beschäftigten und fördern aktiv deren Fort- und Weiterbildung sowie innerbetriebliche Veränderungs- oder Aufstiegsmöglichkeiten.
Inklusionsunternehmen implementieren gesundheitspräventive Aktivitäten und fördern die Arbeitsfähigkeit aller Mitarbeitenden nach ihren individuellen Bedarfen. Sie analysieren Problemfelder, definieren eindeutige Ziele und kontrollieren die nachhaltige Effizienz der eingesetzten Maßnahmen. Im Unternehmen sind besondere Schritte zur Bewältigung von gesundheitsbedingten Krisensituationen vorgesehen.
Inklusionsunternehmen sind an der aktiven Teilhabe ihrer Beschäftigten interessiert und fördern diese beispielsweise durch ein strukturiertes betriebliches Vorschlagswesen und Beschwerdemanagement.
Um das Ideal der Inklusion gesellschaftlich zu verankern, etablieren und pflegen Inklusionsunternehmen eine zielgerichtete Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen der Wirtschaft sowie mit zivilgesellschaftlichen Trägern und Einrichtungen der Freien Wohlfahrtspflege, der Selbsthilfe und öffentlich-rechtlichen Institutionen.
https://bag-if.de/wp-content/uploads/2017/06/170601_Leitlinien_inkl_Arbeitshilfe.pdf
Download: Leitlinien Inklusiver Unternehmen + Selbstevaluationsbogen