Arbeitszeit und Digitalisierung - was kommt auf die Betriebsräte zu?

 

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Interview mit Michael Bösl
Praktischer Betriebswirt, Wirtschaftstrainer und Berater für Betriebsräte und Wirtschaftsausschüsse

Durch die Digitalisierung sind Arbeitnehmer heute ständig erreichbar. Wie lassen sich da Ruhezeiten überhaupt noch einhalten? Was sind die wichtigsten Punkte bei der Arbeitszeit, auf die Betriebsräte achten sollten?
 
Antworten dazu im Interview mit unserem Spezialisten Michael Bösl, Fachreferent des Poko-Instituts, Wirtschaftstrainer und Verfasser von Fachkommentaren.

Poko: Herr Bösl, Arbeitszeitrecht ist stark durch das Europarecht geprägt. Was waren die brisantesten Entscheidungen des EuGH zur Arbeitszeit in den letzten Monaten?

M. Bösl: Europarecht existiert auf verschiedenen Ebenen. Alle sind von Bedeutung: Art. 31 Abs. 2 der EU-Grundrechtecharta formuliert das Grundrecht auf Begrenzung der Höchstarbeitszeit, auf tägliche und wöchentliche Ruhezeiten sowie auf bezahlten Jahresurlaub. Dazu gibt es allgemeine und diverse sektorale Arbeitszeitrichtlinien. Gerade hat der EuGH entschieden, dass sich Arbeitnehmer gegenüber ihrem Arbeitgeber unmittelbar auf dieses Grundrecht berufen können. Um seine Einhaltung zu gewährleisten, müssen die Mitgliedstaaten die Arbeitgeber verpflichten, ein verlässliches System zur Erfassung der täglichen Arbeitszeit einzurichten, also nicht nur der Überstunden. Das gilt auch für alle Teilzeitbeschäftigte.

Wichtig ist auch das aktuelle Urteil zu den Bezugszeiträumen für die Berechnung der wöchentlichen Höchstarbeitszeit. Nach Europarecht sind dies maximal 4 Monate, die auch durch geschickte Aneinanderreihung nicht verlängert werden dürfen. Damit ist eine alte Streitfrage im Arbeitszeitgesetz endgültig geklärt.

Poko: Durch die Digitalisierung sind Arbeitnehmer heute ständig erreichbar. Wie lassen sich da Ruhezeiten überhaupt noch einhalten?

M. Bösl: Arbeitnehmer müssen nicht ständig erreichbar sein. Mit 8, maximal 10 Stunden am Tag ist die Arbeitsverpflichtung erschöpft. Weitere Erreichbarkeit gibt es dann nur bei förmlicher betrieblicher Vereinbarung von zum Beispiel besonderen Bereitschaftsformen, bzw. entsprechenden tarifvertraglichen Regelungen. Diese sind in der Regel betrieblich durch Vereinbarung auf ein Minimum zu beschränken.

Poko: Und was sind die wichtigsten Punkte bei der Arbeitszeit, auf die Interessenvertretungen achten sollten?

M. Bösl: Die Arbeitnehmer müssen vor allem garantierte Freizeiten haben. Diese müssen sich aus den betrieblichen Regelungen selbst ergeben und dürfen nicht ins Ermessen des Arbeitgebers gestellt werden. Vorsicht ist bei allen Systemen von Vertrauensarbeitszeit geboten, bei denen Arbeitszeiten offiziell nicht erfasst und an deren Stelle Zielvereinbarungen getroffen werden.

Nach der europäischen Rechtsprechung sind Abweichungen von den gesetzlichen Höchstarbeitszeiten und Ruhezeiten auf das unbedingt Notwendige zu beschränken. Das gilt auch für Arbeitsbereitschaft, Bereitschaftsdienst, Rufbereitschaft und Abrufarbeit.

Poko: Vielen Dank, Herr Bösl!

 

Hinweis: Spezielle Seminare bieten wir mit Michael Bösl als Referenten insbesondere für Mitglieder in den Wirtschaftsausschüssen und Aufsichtsräten an. Denn vielfach sind die Fragestellungen der Digitalisierung und der Künstlichen Intelligenz (KI) gekoppelt mit wirtschaftlichen Reformen, Investitionen und Einsparungen.  

 

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