Die Gefährdungsbeurteilung

 

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Der Schlüssel für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit

Als Kinder haben wir gelernt, nach links und nach rechts zu schauen, bevor wir zu Fuß die Straße überqueren. Das ist nichts anderes als eine Gefährdungsbeurteilung. Wir sehen herannahende Autos, beurteilen, ob sie uns gefährlich werden können, und entscheiden dann, ob wir die Autos nicht doch lieber noch vorbeifahren lassen sollten. Also sind uns Gefährdungsbeurteilungen eigentlich schon lebenslang vertraut. Nur nennen wir sie nicht so und führen sie in unseren alltäglichen Lebenssituationen ganz unbewusst durch. Und damit fahren wir im Allgemeinen gut. Wenn dann doch einmal etwas passiert, müssen wir uns oft eingestehen: Hätte ich aufgepasst, wäre alles gut gegangen.

Dieses im Prinzip ganz simple Vorgehen liegt auch den Gefährdungsbeurteilungen im Betrieb zugrunde. Der Gesetzgeber hat es im Arbeitsschutzgesetz festgeschrieben: Der Unternehmer soll „durch eine Beurteilung der für die Beschäftigten mit ihrer Arbeit verbundenen Gefährdung ermitteln, welche Maßnahmen des Arbeitsschutzes erforderlich sind.“ Demnach sind Gefährdungsbeurteilungen präventiv, d. h. vorbeugend durchzuführen, damit es gar nicht erst arbeitsbedingt zu Unfällen oder Krankheiten kommt. Obwohl Gefährdungsbeurteilungen der entscheidende Schlüssel für Sicherheit und Gesundheit im Betrieb sind und obwohl nicht nur die Beschäftigten, sondern auch die Unternehmen davon profitieren, scheuen immer noch sehr viele Firmen vor der Durchführung von Gefährdungsbeurteilungen zurück.

Hier gilt es, Aufklärungsarbeit zu leisten. Denn die Gefährdungsbeurteilung ist keine „Schlechtmacherei“, sie beeinträchtigt in keiner Weise den Ruf des Unternehmens und vor allen Dingen ist sie auch gar nicht so kompliziert, wie manchmal befürchtet. Die gesetzliche Pflicht zur Durchführung liegt beim Arbeitgeber, aber er kann sich in der praktischen Umsetzung auf die Experten im Betrieb stützen, nämlich die Fachkräfte für Arbeitssicherheit und die Betriebsärzte. Gleichzeitig werden in die Erstellung der Gefährdungsbeurteilung weitere Parteien aktiv einbezogen, beispielsweise Arbeitnehmervertreter, Vorgesetzte, Personalverantwortliche und vor allen Dingen die Beschäftigten selbst. Denn sie sind die Experten für ihre eigenen Arbeitsplätze – und insbesondere die dortigen Gefährdungen.

Als gemeinsames Team werden die Beteiligten zunächst analysieren, welche Gefährdungen an den Arbeitsplätzen zu beachten sind. Hierbei kann es sich im Grunde um sämtliche Aspekte der Arbeitsplätze und der Tätigkeit handeln: die Gestaltung der Arbeitsräume und -plätze, Gefahrstoffe, Hygienethemen, Computer und Software, Maschinen, Geräte, Verfahrensabläufe, Arbeitszeit, Schichtsysteme und Pausenregelung, Qualifizierung und Unterweisung der Beschäftigten und nicht zuletzt auch psychische Belastungen. Nachdem dieses breite Spektrum von Arbeitsmerkmalen lückenlos erfasst wurde, wird beurteilt, welches Gefahrenpotenzial sich daraus grundsätzlich ergeben kann. Natürlich hängt das entscheidend davon ab, welche Schutzvorkehrungen bereits getroffen sind. Diese werden ggf. ebenfalls dokumentiert. Nur wenn keine Schutzmaßnahmen implementiert sind, oder wenn trotzdem ein Restrisiko verbleibt, werden vom Team gemeinsam (weitere) Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten festgelegt. Es ist keinesfalls eine Option, die Verantwortung nach dem Motto „Mach doch die Augen auf!“ allein den Beschäftigten zuzuweisen. Vorrangig sind betriebliche Gefahren immer an ihrer Quelle zu beseitigen.

Das Arbeitsschutzgesetz macht keine Vorschriften zur formalen Durchführung der Gefährdungsbeurteilung. Wesentlich sind ihre Systematik, Inhalte und Vollständigkeit, damit das Ziel, nämlich Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz, erreicht wird. Die Unternehmen können unter dieser Vorgabe in Abhängigkeit von ihrer Größe, Organisation und Kompetenz das eigene Vorgehen selbst bestimmen. Es stehen zahlreiche Muster und „Best Practices“ in gedruckter und elektronischer Form zur Verfügung, die auch den Anforderungen von Aufsichtsbehörde oder Berufsgenossenschaft genügen.

Eine Gefährdungsbeurteilung ist in regelmäßigen Abständen zu aktualisieren und insbesondere auch dann anzupassen, wenn sich die Bedingungen an den Arbeitsplätzen geändert haben. Dies können neue Gerätschaften ebenso sein wie neue Prozeduren, neue Arbeitszeitmodelle oder auch neue gesetzliche Vorgaben.

Die Gefährdungsbeurteilung ist die einzige und bewährte Möglichkeit, Gesundheitsgefahren systematisch zu identifizieren und von den Beschäftigten abzuwenden. In diesem Sinne darf sie nicht als lästige gesetzliche Pflicht abgetan werden, sondern sollte als Chance für die Beschäftigten und auch für das Unternehmen erkannt werden - es zahlt sich für alle Beteiligten aus, auch im Betrieb nach links und rechts zu schauen.

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