Digitaler Stress im Arbeitsleben

von: Sina Baumeister, Dipl.-Pädagogin

Ein Arbeitsplatz ohne E-Mails oder bestimmte Software ist heute kaum mehr vorstellbar. Ob im Baugewerbe oder bei der Bank, im Gesundheitswesen oder der Verwaltung – an der Digitalisierung kommt niemand vorbei. In den meisten Fällen ist das auch nichts Negatives. Im Gegenteil. Die Digitalisierung hat unsere Arbeit in vielen Bereichen leichter gemacht. Daten können ohne Zeitverzögerung ausgetauscht werden, Maschinen erleichtern körperlich sehr anstrengende Tätigkeiten, Meetings können online auch über Ländergrenzen hinaus ohne aufwendige Reisen stattfinden.

Dennoch hat die Digitalisierung nicht ausschließlich Vorteile gebracht. Jede/r fünfte Ar­beitnehmende empfindet starken digitalen Stress durch seinen Beruf, so die Ergebnisse der Studie „Gesund digital arbeiten?!“.

Was ist digitaler Stress und wie unterscheidet er sich von „normalem“ Stress?

Stress entsteht dann, wenn die eigenen zur Verfügung stehenden Ressourcen nicht zu den Anforderungen passen. Das gilt für digitalen Stress ebenso wie für analogen. Früher waren es Reize wie Hunger, Kälte oder Angriffe durch Tiere oder menschliche Rivalen, die Stress ausgelöst haben. In der heutigen Gesellschaft sind eher Reizüberflutung, Konflikte oder Schicksalsschläge die Auslöser des „normalen“ Stresses.

„Digitaler Stress bezeichnet die negative Beanspruchungsfolge durch Belastungsfaktoren im Umgang mit digitalen Technologien und Medien.“

(Gimpel et al. 2020)

 

Wie entsteht digitaler Stress?

Grundsätzlich lässt sich sagen, dass digitaler Stress häufig dann entsteht, wenn es ein Ungleichgewicht gibt zwischen den Fähigkeiten im Umgang mit digitalen Technologien und den Anforderungen, die diese an die Arbeitnehmer*innen stellen.

Des Weiteren gibt es einige typische Belastungsfaktoren, die digitalen Stress auslösen können. So sieht sich jede/r dritte Befragte der Studie „Gesund digital arbeiten?!“ mindestens einem der folgenden 12 Belastungsfaktoren bei der Arbeit mit digitalen Technologien und Medien sehr stark ausgesetzt:

 

Belastungsfaktoren digitaler Arbeit Grafik

Anmerkung:  Die in der Literatur noch nicht bekannten bzw. noch nicht in Zusammenhang mit digitalem Stress gebrachten Belastungsfaktoren sind in der Abbildung farblich hervorgehoben.

Am häufigsten werden die Belastungsfaktoren Leistungsüberwachung und das Gefühl der gläsernen Person genannt:

Das Gefühl einer konstanten Überwachung und Bewertung wird bei den Betroffenen durch das Wissen darüber ausgelöst, dass die technische Möglichkeit besteht, Leistungsdaten einfach zu erfassen und zu vergleichen.

Die Bedenken, dass die Nutzung digitaler Technologien und Medien die Privatsphäre verletzt, können das Gefühl der gläsernen Person auslösen.

Welche Auswirkungen hat digitaler Stress?

Ganz gleich, welche Belastungsfaktoren den digitalen Stress ausgelöst haben, er wirkt sich ebenso negativ auf uns Menschen aus wie analoger Stress. Mehr als die Hälfte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die sich einem hohen digitalen Stress ausgesetzt sehen, leiden unter Rückenschmerzen, Kopfschmerzen und allgemeiner Müdigkeit.

Übermäßiger digitaler Stress verringert zudem die berufliche Leistung. Mitarbeiter*innen, die unter digitalem Stress leiden, sind unzufriedener mit ihrer Arbeitsstelle und denken häufiger über einen Jobwechsel nach.

Wer ist von digitalem Stress betroffen?

Anders als vielleicht zu erwarten wäre, betrifft digitaler Stress nicht überwiegend die älteren Arbeitnehmer*innen. Vielmehr sind es tatsächlich die „digital natives“, also die Generation, die mit digitalen Medien aufgewachsen ist, die der o. g. Studie zufolge häufig über digitalen Stress klagen. Ein überraschendes Ergebnis. Studienleiter Prof. Dr. Henner Gimpel vermutet, dass unter den 25- bis 34-Jährigen besonders viele an stark digitalisierten Arbeitsplätzen arbeiten und die Arbeit oft sehr verdichtet ist.

Was kann man tun, um digitalem Stress vorzubeugen?

Auch die Arbeitgeber sind gefragt, wenn es um die Vorbeugung von digitalem Stress geht. Denn wie oben bereits erwähnt, hat dieser negative Folgen für die Mitarbeitenden, die auch den Arbeitgeber betreffen (z. B. Verringerung der beruflichen Leistung und Unzufriedenheit mit der Arbeitsstelle).

Prof. Dr. Henner Gimpel empfiehlt, bessere IT-Helpdesks einzurichten und die Beschäftigten zu Rate zu ziehen, wenn neue Software, Geräte und Dienste eingeführt werden sollen. Zudem sollten den Mitarbeiter*innen mehr Rechte an ihren Computern eingeräumt werden, damit sie ihren digitalen Arbeitsplatz individueller gestalten können. Auch klare Regeln zum E-Mail-Management können helfen, die täglich wiederkehrende E-Mail-Flut zu bewältigen und dadurch entstehenden Stress zu vermeiden.

Wie kann man mit digitalem Stress umgehen?

Lässt sich digitaler Stress trotz präventiver Maßnahmen nicht ganz vermeiden, gibt es dennoch konstruktive Möglichkeiten mit diesem umzugehen. Den Ergebnissen der Studie „Gesund digital arbeiten?!“ zufolge ist es nicht eine einzige Strategie, die besonders hilfreich bei der Bewältigung von digitalem Stress ist. Vielmehr kann die Kombination vieler verschiedener Strategien helfen, den übermäßigen Stress durch digitale Technologien und Medien zu reduzieren.

 

Folgende 5 Strategien wurden von den Befragten dabei am häufigsten eingesetzt:

1. Die Dinge von einer positiveren Seite betrachten

2. Aktiv handeln, um die Situation zu verbessern

3. Die Dinge mit Humor nehmen

4. Sich einen Plan überlegen

5. Lernen, mit der Situation zu leben