Die letzten JAV-Wahlen sind noch nicht lange her, und du bist vielleicht noch mitten in deiner Ausbildung. Der Gedanke an die Zeit danach scheint da noch weit entfernt. Aber es kommt der Tag, an dem die Ausbildung beendet ist und sich die Frage stellt: Gehen oder bleiben?
Mit dem Bestehen der Abschlussprüfung haben Azubi und Arbeitgeber das Ziel der Ausbildung erreicht. Und was dann? Wie geht es nach der Ausbildung weiter?
Im Idealfall wollen Ausbilder und Auszubildende*r auch nach dem Ausbildungsende weiter zusammenarbeiten und der*die Auszubildende soll in ein Arbeitsverhältnis übernommen werden.
Doch nicht in jedem Betrieb ist das so. Oft werden mehr Auszubildende ausgebildet, als später Stellen frei sind. Bei der Auswahl derjenigen, die dann nach Abschluss ihrer Ausbildung in ein Arbeitsverhältnis übernommen werden, unterliegt der Arbeitgeber grundsätzlich keinen Bindungen. Die besten Chancen haben also in der Regel diejenigen, die mit den besten Noten, ihrem Auftreten oder Sympathie besonders punkten können.
Als Mitglied der JAV kannst du bei deinem Einsatz für die Interessen der Auszubildenden und jugendlichen Mitarbeitenden im Betrieb aber auch mal in einen Konflikt mit dem Arbeitgeber geraten. Gerade wer sein Amt ernst nimmt und auch Auseinandersetzungen mit dem Arbeitgeber nicht scheut, läuft wohlmöglich Gefahr, bei der Übernahme übergangen zu werden.
Gerade deshalb sieht das Gesetz besondere Schutzvorschriften für engagierte Interessenvertreter vor. Ziel ist es, eine berufliche Benachteiligung zu verhindern und unabhängige JAV-Arbeit zu ermöglichen.
Dazu gehört auch der Übernahmeanspruch nach § 78a BetrVG.
Der Übernahmeanspruch besagt, dass JAV-Mitglieder nach der Ausbildung in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis übernommen werden müssen, wenn sie die Weiterbeschäftigung innerhalb der letzten drei Monaten vor dem Ende des Ausbildungsverhältnisses schriftlich verlangen. Das Verlangen auf Weiterbeschäftigung muss innerhalb dieser 3-monatigen Frist erfolgen, sonst ist es unwirksam.
Durch das Weiterbeschäftigungsverlangen wird zwischen Auszubildender*m und Arbeitgeber ein unbefristetes Arbeitsverhältnis begründet, das nur durch eine gerichtliche Entscheidung verhindert oder wieder aufgelöst werden kann.
Der Schutz beginnt, sobald das JAV-Wahlergebnis feststeht und besteht für die gesamte Dauer der Mitgliedschaft in der JAV.
Die Vorschrift schützt aber nicht nur die amtierenden Mitglieder der Jugend- und Auszubildendenvertretung, sondern auch Auszubildende, die schon vorher aus der JAV ausgeschieden sind. Voraussetzung für diesen sogenannten „nachwirkenden Schutz“ ist, dass das Ausbildungsverhältnis innerhalb eines Jahres nach dem Ausscheiden aus der JAV endet. Hierbei kommt es nicht nur auf die Amtszeit der JAV insgesamt an (beispielsweise bei Neuwahlen), sondern auch die Beendigung der persönlichen JAV-Mitgliedschaft, z. B. auch durch eine Amtsniederlegung.
Der Schutz gilt nicht für Ersatzmitglieder, die zu keiner Zeit eine Funktion in der JAV wahrnehmen oder wahrgenommen haben. Geschützt werden dagegen sowohl Ersatzmitglieder, die endgültig für ein ausgeschiedenes ordentliches Mitglied in die JAV nachgerückt sind, als auch Ersatzmitglieder, die nur vorübergehend für ein zeitweilig verhindertes ordentliches Mitglied als Vertretung tätig geworden sind.
Voraussetzung für den Schutz des nur vorübergehend tätigen Ersatzmitglieds ist dann aber, dass die JAV-Tätigkeit innerhalb des letzten Jahres vor Ende der Berufsausbildung erfolgt ist und der*die Nachrücker*in tatsächlich konkrete JAV-Aufgaben wahrgenommen hat. Es reicht beispielsweise aus, wenn ein Ersatzmitglied vertretungsweise an Sitzungen der JAV teilgenommen hat. Deshalb sollte unbedingt im Sitzungsprotokoll und auf der Anwesenheitsliste festgehalten werden, wenn bei der JAV-Sitzung ein Ersatzmitglied dabei war.
Beispiel:
Eine Auszubildende rückte für zwei Monate vom Ersatzmitglied zum ordentlichen JAV-Mitglied auf, nahm jedoch an keiner Sitzung teil. Auch die Wahrnehmung anderer Amtsaufgaben für die JAV konnte sie nicht belegen.
Der Arbeitgeber lehnte eine unbefristete Übernahme der Betroffenen nach ihrer Ausbildung ab. Zu Recht, wie das Landesarbeitsgericht Hamm entschied (Urteil v. 04.04.2014 - Az.: 13 Sa 40/14): Kein Anspruch auf Übernahme – da keine JAV-Tätigkeit nachweisbar war.
Ja, aber nur unter engen Voraussetzungen.
Gemäß § 78 a Abs. 4 BetrVG kann der Arbeitgeber vor Gericht geltend machen, dass ihm eine Weiterbeschäftigung unzumutbar ist.
Dafür gibt es zwei Möglichkeiten:
In beiden Fällen muss der Arbeitgeber die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung nachweisen. Neben personen- und verhaltensbedingten Gründen können auch betriebliche Gründe die Unzumutbarkeit begründen.
Mit der Frage, wann genau eine Weiterbeschäftigung für den Arbeitgeber aus betrieblichen Gründen unzumutbar ist, hatte sich in einer neueren Entscheidung auch das Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen zu beschäftigen (Beschluss vom 14.02.2024 - Az.: 2 TaBV 4/23).
Ein JAV-Mitglied wollte nach der Ausbildung übernommen werden, aber der Arbeitgeber – eine Brauerei - hatte keinen passenden freien Arbeitsplatz zu bieten.
Vor dem Ende der Ausbildung teilte der Arbeitgeber dem Azubi entsprechend mit, dass eine Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis nach Beendigung der Ausbildung nicht möglich sei, da es im Produktionsbereich keine unbefristeten freien Planstellen gebe. Der Auszubildende verlangte dennoch form- und fristgerecht die Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis im Bereich der Produktion als Brauer. Die Arbeitgeberin beantragte daraufhin beim Arbeitsgericht die Auflösung dieses Arbeitsverhältnisses.
Das Gericht entschied zugunsten des Arbeitsgebers und löste das Arbeitsverhältnis auf.
Nach Ansicht des Gerichts war hier der Arbeitgeberin die unbefristete Weiterbeschäftigung aus betrieblichen Gründen tatsächlich nicht zumutbar, da es an einem freien Arbeitsplatz fehlte, auf dem der Auszubildende mit seiner durch die Ausbildung erworbenen Qualifikation dauerhaft beschäftigt werden könnte.
Die Personalplanung und arbeitstechnische Organisation liege beim Arbeitgeber, der darüber entscheiden könne, welche Arbeiten im Betrieb verrichtet werden und wie viele Arbeitnehmer damit beschäftigt werden sollen.
Das LAG Niedersachsen stellte weiterhin klar, dass für die Beurteilung der Unzumutbarkeit einer Weiterbeschäftigung ausschließlich der Zeitpunkt der Beendigung des Ausbildungsverhältnisses maßgeblich ist. Eine Betrachtung eines Zeitraums von einem Jahr vor und nach diesem Zeitpunkt sei nicht zulässig.
Der Auszubildende in diesem Fall hatte leider Pech. Wäre aber kurz vor Ausbildungsende eine Stelle frei geworden und anderweitig besetzt worden, hätte das für den Azubi anders aussehen können.
Denn: Innerhalb der letzten drei Monate vor Ende der Ausbildung muss der Arbeitgeber mit einem Übernahmeverlangen rechnen. Wird eine passende Stelle in dieser Zeit anderweitig besetzt, obwohl es dafür keine dringenden betrieblichen Gründe gibt, kann das die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung im Einzelfall entkräften.