Vorläufige personelle Einzelmaßnahme

Der Arbeitgeber darf eine Einstellung, Versetzung oder Ein- bzw. Umgruppierung erst ausführen, wenn entweder

  • der Betriebsrat der Maßnahme zugestimmt hat oder
  • die Zustimmung als erteilt gilt oder
  • die Zustimmung durch das Arbeitsgericht ersetzt wurde.

Gemäß § 100 BetrVG hat der Arbeitgeber jedoch die Möglichkeit, die beabsichtigte personelle Maßnahme vorläufig durchzuführen, wenn dies aus sachlichen Gründen dringend erforderlich ist.

Liegt eine sachlich-betriebliche dringende Notwendigkeit vor, kann der Arbeitgeber gem. § 100 BetrVG eine Einstellung oder Versetzung vornehmen, obwohl

  • noch keine Stellungnahme des Betriebsrats vorliegt;
  • der Betriebsrat die Zustimmung verweigert hat;
  • der Betriebsrat gerade nicht erreichbar oder beschlussunfähig ist.

Die geplante Maßnahme darf zum Zeitpunkt ihrer Ausführung keinen Aufschub vertragen.

Beispiel:

Mitarbeiterin M führt regelmäßig die Lohnabrechnung für den Betrieb durch. M erkrankt am Tag der Durchführung der Abrechnung für voraussichtlich eine Woche. Arbeitgeber A hört den Betriebsrat B zur Einstellung des Leiharbeitnehmers L auf den Arbeitsplatz der M für eine Woche an und führt gleichzeitig die Einstellung bereits durch. Selbst wenn M am nächsten Tag wider Erwarten wieder gesund wäre, duldete die Einstellung des L am Vortag keinen Aufschub.

Der Arbeitgeber muss den Betriebsrat unverzüglich (ohne schuldhaftes Zögern) von der vorläufigen Einstellung oder Versetzung unterrichten, § 100 Abs. 2 S. 1 BetrVG.

Bestreitet der Betriebsrat die Dringlichkeit der vorläufig durchgeführten Maßnahme, muss der Arbeitgeber innerhalb von drei Tagen beim Arbeitsgericht die Berechtigung der Vorläufigkeit der personellen Maßnahme überprüfen lassen. Gleichzeitig muss er die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zu der personellen Maßnahme beantragen, § 100 Abs. 2 S. 3 BetrVG.

Berechnung der Dreitagesfrist:

Das Gesetz stellt auf Kalendertage ab. Jeder Tag zählt also mit.

Beispiel:

M, die die Lohnabrechnungen regelmäßig durchführt, teilt am Freitagmorgen, dem Morgen des Beginns der Abrechnungen mit, voraussichtlich für eine Woche arbeitsunfähig zu sein. Arbeitgeber A hört gleich am Freitagmorgen den Betriebsrat B zur Einstellung des Leiharbeitnehmers L an. B bestreitet noch am Freitag, dass die Maßnahme dringend erforderlich ist und verweigert seine Zustimmung zur Einstellung des L, weil er die Personaldecke im Lohnbüro von jeher für zu dünn hält.

Berechnung der Dreitagesfrist: Samstag (Tag 1), Sonntag (Tag 2), Montag (Tag 3). A muss also spätestens am kommenden Montag (innerhalb von drei Tagen) beim Arbeitsgericht die Ersetzung der Zustimmung des B sowie die Feststellung, dass die Einstellung des L aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war, beantragen.

Fällt allerdings der letzte Tag der Dreitagesfrist auf einen Samstag, Sonntag oder Feiertag, so verlängert sich die Frist nach § 193 BGB bis zum Ablauf des nächsten Werktages. Im vorstehenden Beispiel bedeutet dies: Wäre M bereits am Donnerstag erkrankt und hätte der B demgemäß auch am Donnerstag die Zustimmung verweigert und die Dringlichkeit bestritten, so würde Tag 3 auf einen Sonntag fallen (Freitag (Tag 1), Samstag (Tag 2), Sonntag (Tag 3)). A könnte die Anträge auch am Montag noch bei dem Arbeitsgericht stellen.

Sind die erforderlichen Anträge beim Arbeitsgericht gestellt worden, so kann der Arbeitgeber die Maßnahme zunächst durchführen. Der Arbeitgeber muss den betroffenen Arbeitnehmer gemäß § 100 Abs. 1 S. 2 BetrVG über die Sach- und Rechtslage unterrichten. Dazu gehört insbesondere die Unterrichtung, dass die personelle Maßnahme eventuell rückgängig gemacht werden muss.

Dem betroffenen Arbeitnehmer gegenüber ist der Arbeitgeber jedenfalls regelmäßig nicht verpflichtet, ein Zustimmungsersetzungsverfahren durchzuführen (BAG 16.03.2010 - 3 AZR 31/09). Die Beschlussfassung des Betriebsrats kann sich demnach in Hinblick auf das arbeitsvertragliche Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zum Nachteil des einzelnen Arbeitnehmers auswirken. Hat der Betriebsrat die Zustimmung verweigert, ist der Arbeitgeber nicht mehr verpflichtet, den Arbeitnehmer in einer seiner Fähigkeiten entsprechenden Art und Weise einzusetzen, selbst wenn er eine entsprechende Vereinbarung mit dem Arbeitnehmer getroffen hat. Der Betriebsrat muss deshalb vor einer Beschlussfassung immer sehr genau auch die möglichen Auswirkungen seines Beschlusses zu Lasten des betroffenen Arbeitnehmers prüfen.

Das Arbeitsgericht stellt entweder fest, dass

a) die Maßnahme nicht dringlich ist, aber kein Zustimmungsverweigerungsgrund gegeben ist oder

b) die Sache nicht dringlich ist und ein Zustimmungsverweigerungsgrund gegeben ist oder

c) die Sache dringlich ist und keine Zustimmungsverweigerungsgründe gegeben sind oder

d) die Sache zwar dringlich ist, aber gleichwohl Zustimmungsverweigerungsgründe gegeben sind.

Im Ergebnis kann in den Alternativen a) und c) die Maßnahme aufrechterhalten werden, während der Arbeitgeber in den Alternativen b) und d) die Maßnahme gemäß § 100 Abs. 3 BetrVG spätestens zwei Wochen nach Rechtskraft der Entscheidung des Gerichts aufheben muss.

Einstellung/
 Versetzung ist aus sachlichen Gründen dringend erforderlich


Einstellung/


Versetzung


Rechtliche Folge für
 Arbeitgeber

1. Betriebsrat stimmt der Dringlichkeit zu

Betriebsrat stimmt der Einstellung/ Versetzung zu

Arbeitgeber kann endgültig
 einstellen/versetzen

2. Betriebsrat schweigt zur Dringlichkeit

Betriebsrat stimmt der Einstellung/ Versetzung zu

Arbeitgeber kann
 endgültig einstellen/
 versetzen

3. Betriebsrat bestreitet Dringlichkeit

Betriebsrat stimmt der Einstellung/ Versetzung zu

Arbeitgeber kann
 endgültig einstellen/versetzen; evtl. schon eingeleitetes Beschlussverfahren ist erledigt

4. Betriebsrat stimmt der Dringlichkeit zu

Betriebsrat verweigert Zustimmung zur Einstellung/ Versetzung

Antrag beim Arbeitsgericht:
 Ersetzung der Zustimmung (§ 99 Abs. 4 BetrVG)

5. Betriebsrat bestreitet Dringlichkeit

Betriebsrat verweigert Zustimmung zur Einstellung/
 Versetzung


Antrag beim Arbeitsgericht:


1. Feststellung der dringenden Erforderlichkeit (§ 100 Abs. 2 BetrVG);


2. Ersetzung der Zustimmung (§ 99 Abs. 4 BetrVG)


6. Betriebsrat schweigt zur Dringlichkeit

Betriebsrat verweigert Zustimmung zur Einstellung/
 Versetzung

Antrag beim Arbeitsgericht:
 Ersetzung der Zustimmung (§ 99 Abs. 4 BetrVG)

7. Betriebsrat bestreitet verspätet Dringlichkeit

Betriebsrat verweigert Zustimmung zur Einstellung/
 Versetzung

Antrag beim Arbeitsgericht:
 Ersetzung der Zustimmung (§ 99 Abs. 4 BetrVG

Vorläufige personelle Maßnahme