Sozialplanabfindung für schwerbehinderte Arbeitnehmer

 

730x300 - Finger zeigen auf §

Eine unmittelbar an das Merkmal der Behinderung knüpfende Bemessung einer Sozialplanabfindung ist unwirksam, wenn sie schwerbehinderte Arbeitnehmer gegenüber anderen Arbeitnehmern, die in gleicher Weise wie sie von einem sozialplanpflichtigen Arbeitsplatzverlust betroffen sind, schlechter stellt.

BAG, Urteil vom 17. November 2015 - 1 AZR 938/13 -

Der Fall:

Nach dem Sozialplan errechnet sich die Abfindung für die Milderung der Nachteile aus einem Arbeitsplatzverlust wegen einer Betriebsänderung individuell nach dem Bruttomonatsentgelt, der Betriebszugehörigkeit und einem Faktor (Formelberechnung). Die hiernach ermittelte Abfindung ist bei vor dem 1. Januar 1952 geborenen Arbeitnehmern, welche nach einem Arbeitslosengeldbezug von längstens zwölf Monaten die vorzeitige Altersrente wegen Arbeitslosigkeit erstmals in Anspruch nehmen können, auf maximal 40.000 Euro begrenzt. Hingegen sind Mitarbeiter, die aufgrund einer Schwerbehinderung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine (ungekürzte) Rente beanspruchen können, von der individuellen Abfindungsberechnung ausgenommen. Sie erhalten eine Abfindungspauschale in Höhe von 10.000 Euro sowie einen Zusatzbetrag von 1.000 Euro, der allen schwerbehinderten Arbeitnehmern zusteht.

Der 1950 geborene und schwerbehinderte Kläger war bei der Beklagten beschäftigt. Anlässlich der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses am 31. März 2012 erhielt er neben dem Zusatzbetrag weitere 10.000 Euro als Abfindung, die sich nach der Formelberechnung ansonsten auf 64.558 Euro belaufen hätte. Mit seiner Klage hat er zuletzt die Zahlung einer weiteren Abfindung in Höhe von 30.000 Euro unter Berücksichtigung der Begrenzung für rentennahe Jahrgänge verlangt.

Die Lösung:

In diesem Umfang haben alle Instanzen der Klage stattgegeben.

Differenziert ein Sozialplan für die Berechnung einer Abfindung zwischen unterschiedlichen Arbeitnehmergruppen, hat ein damit einhergehender Systemwechsel die Diskriminierungsverbote des AGG zu beachten. In der Regelung über den pauschalierten Abfindungsbetrag für Arbeitnehmer, die wegen ihrer Schwerbehinderung rentenberechtigt sind, liegt eine unmittelbar an das Merkmal der Behinderung knüpfende Ungleichbehandlung. Diese benachteiligt behinderte Arbeitnehmer, denen nach einer für nicht schwerbehinderte Arbeitnehmer geltenden Berechnungsformel ein höherer Abfindungsbetrag zustehen würde. Sie darf gemäß § 7 Abs. 2 AGG ihnen gegenüber nicht angewendet werden.

Hinweis für die Praxis:

Sozialpläne sollen Nachteile auf Seiten der Arbeitnehmer, die durch den Arbeitsplatzverlust entstehen, soweit wie möglich ausgleichen. Deshalb sind Differenzierungen bei der Abfindungsberechnung grundsätzlich zulässig, soweit Arbeitnehmer betroffen sind, die mit geringeren wirtschaftlichen Nachteilen nach ihrem Ausscheiden aus dem Betrieb etwa in die ungekürzte Altersrente gelangen können (vgl. statt aller BAG, Urteile vom 26. März 2013 - 1 AZR 813/11 und 1 AZR 857/11).

Nach bisheriger Rechtsprechung des BAG hätte der Kläger wohl lediglich Anspruch auf eine Abfindung in Höhe von 11.000 € gehabt. Allerdings hat der EuGH (Urteil vom  6.12.2012 - C-152/11) entschieden, dass es eine unzulässige Diskriminierung wegen einer Behinderung darstellt, wenn bei der Berechnung der Minderung von Sozialplanansprüchen die Möglichkeit einer vorzeitigen Altersrente wegen einer Behinderung berücksichtigt wird. Darauf hat das BAG nun reagiert und seine Rechtsprechung im Hinblick auf eine vermeintlich vom EuGH angenommene Benachteiligung wegen einer Behinderung modifiziert.