Tiktok und Instagram sind voll mit Reels, die die vermeintlichen Unterschiede der Generationen veräppeln: Die Boomer*innen immer schön fleißig, nie krank und den Vorgesetzten treu ergeben. Die Gen Z hingegen faul, aufmüpfig und nur darauf bedacht, den jeweils nächsten Urlaub zu planen. Klar, dass hier der Ärger vorprogrammiert ist.
Die Wahrheit über die Unterschiede der Generationen ist natürlich etwas komplexer.
Für viele Babyboomer*innen, aufgewachsen in den Nachkriegsjahren, war völlig klar, dass gesellschaftlicher Aufstieg und finanzielle Sicherheit über großen Arbeitseinsatz machbar sind. Man war Teil einer noch jungen Republik mit einem positiven Blick in die Zukunft. Auch für die darauffolgende Generation X, der bis 1980 Geborenen, war noch klar: Wenn ich viel arbeite, kann ich mir auch viel leisten, das meine Lebensqualität steigert: ein eigenes Auto, Urlaubsreisen und Wohneigentum.
Für die Generation Z, also die ab 1995 geborenen jungen Erwachsenen, stellt sich die Realität anders dar: Fleiß und hoher Arbeitseinsatz sind nicht mehr automatisch eine Garantie für mehr Sicherheit und ein dickes Bankkonto. Dafür verändert sich die Welt zu schnell. Gobalisierung, astronomische Mietpreise, rasante technologische Entwicklungen und die vermehrt spürbaren Auswirkungen des Klimawandels machen die komplexen Umweltbedingungen im Alltag spürbar. Bei der Berufsberatung gesagt zu bekommen: „Ach, den Beruf gibt es in zehn Jahren wahrscheinlich überhaupt nicht mehr“, nach der Ausbildung nur befristet übernommen zu werden oder sich nach dem Studium erst einmal von Praktikum zu Praktikum hangeln zu müssen, tragen ihr Übriges dazu bei.
Kein Wunder also, dass die verschiedenen Generationen aus jeweils anderen Perspektiven auf die Welt schauen. Sie haben diese auch unterschiedlich erlebt und erleben sie weiterhin unterschiedlich. In Unternehmen können die verschiedenen Sichtweisen zu Konflikten führen und man fragt sich über die jeweils andere Generation insgeheim: „Was stimmt nicht mit denen?“.
Das Businessnetzwerk LinkedIn hat genau zu diesem Generationenkonflikt seine Mitglieder befragt – mit einem erstaunlichen Ergebnis: Die Generationen reden einfach nicht miteinander!
Mehr als jeder zehnte Mitarbeitende der Gen Z gab an, im letzten Jahr kein direktes Gespräch mit Kolleg*innen über 50 geführt zu haben. Kein Wunder also, dass es da schnell zu Missverständnissen oder Ärger kommt. Auf beiden Seiten scheint es große Unsicherheiten zu geben, wie man überhaupt miteinander sprechen soll. Auch zu den Gründen gibt die Studie Aufschluss. Demnach haben jüngere Arbeitnehmende oft Angst, sich vor den Älteren zu blamieren, wissen nicht, wie man aufeinander zugehen soll, oder fühlen sich sogar unwohl, um Hilfe zu fragen.
Letzteres ist besonders schade. Denn ein Großteil der Befragten, egal welcher Generation, gab an, dass sie glauben, viel voneinander lernen zu können. Wäre es nicht bedauerlich, wenn man dieses große Know-how-Potential ungenutzt lässt, nur weil man nicht miteinander spricht?
Damit mehr Kommunikation zustande kommt, wird der Einsatz der Führungskräfte benötigt. Denn diese können Formate und Rahmenbedingungen schaffen, damit es zu mehr Austausch zwischen den Mitarbeitendengruppen unterschiedlichen Alters kommt. Gemeinsame Arbeitsgruppen oder generationenübergreifende Workshops, in denen gezielt der Austausch gefördert wird, können eine Möglichkeit sein. Oder ein Mentoringprogramm, bei dem jungen Mitarbeitenden eine lebensältere Mentorin oder ein lebenserfahrener Mentor an die Seite gestellt wird, um diese bei allen Fragen zu unterstützen.
Die generationenübergreifende Zusammenarbeit ist allerdings nicht nur ein Wohlfühl-thema, sondern auch ein wirtschaftlicher Faktor. Echte Teamarbeit zwischen Menschen mit unterschiedlichen Erfahrungen, Wissen und Persönlichkeiten kann die Produktivität steigern und sorgt dafür, dass sich Unternehmen besser und schneller auf aktuelle Herausforderungen einstellen können! Gemeinsam sind wir einfach schlauer.
Vielleicht geben wir uns auch einfach alle einmal einen Ruck und sagen beim nächsten zufälligen Treffen an der Kaffeemaschine zu unseren jüngeren und älteren Kolleg*innen so etwas wie: „Hallo! Wir kennen uns noch nicht. Ich bin die Neue aus der Abteilung XY“. Könnte ja nett werden.
Anja Scheuermann
Dozentin für Öffentlichkeitsarbeit, Kommunikation und agile Methoden