Eine Massenentlassung stellt für Arbeitnehmer*innen eine besondere Situation dar, bei der gesetzliche Schutzmechanismen greifen und wichtige Fristen beachtet werden müssen. Wer betroffen ist, steht oft vor vielen Fragen: Ist die Kündigung wirksam? Welche Fristen gelten? Habe ich Anspruch auf Abfindung? Der Gesetzgeber sieht bei Massenentlassungen besondere Informations- und Anzeigepflichten für Arbeitgeber vor, um soziale Härten abzufedern und die Rechte der Beschäftigten zu wahren. Ist ein Betriebsrat vorhanden, muss dieser frühzeitig eingebunden werden – etwa durch rechtzeitige Unterrichtung und Konsultation..
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Eine Massenentlassung liegt vor, wenn ein Arbeitgeber innerhalb von 30 Kalendertagen eine größere Anzahl von Kündigungen ausspricht, wobei auch andere Beendigungen des Arbeitsverhältnisses einer arbeitgeberseitigen Kündigung gleichstehen, wenn sie vom Arbeitgeber veranlasst werden. Die genaue Zahl hängt von der Betriebsgröße ab. Ziel der im Kündigungsschutzgesetz (KSchG) verankerten gesetzlichen Regelung ist es, die wirtschaftlichen Folgen für Beschäftigte abzumildern und geordnete Verfahren sicherzustellen. Der Anzeigepflicht liegen in erster Linie arbeitsmarktpolitische Ziele zugrunde. Der Arbeitsagentur soll die Möglichkeit gegeben werden, bestenfalls noch im Vorfeld vor dem Ausspruch der Kündigungen die erforderlichen Maßnahmen am örtlichen Arbeitsmarkt vorzubereiten und zu treffen.
Der sogenannte Schwellenwert einer Massenentlassung ist im Kündigungsschutzgesetz (§ 17 KSchG) geregelt:
Diese Schwellenwerte beziehen sich immer auf einen Zeitraum von 30 Kalendertagen. Werden die Schwellenwerte überschritten, greifen besondere gesetzliche Pflichten.
Die zentrale Vorschrift ist § 17 des Kündigungsschutzgesetzes. Sie verpflichtet Arbeitgeber, geplante Entlassungen bei der Agentur für Arbeit anzuzeigen und den Betriebsrat frühzeitig zu beteiligen. Ziel der Beteiligung des Betriebsrats ist es, Alternativen zur Kündigung zu prüfen und deren soziale Folgen abzufedern.
Vor der Kündigung muss der Arbeitgeber:
Zu beachten ist außerdem, dass nach § 18 KSchG eine Sperrfrist von einem Monat ab Eingang der Anzeige bei der Agentur für Arbeit eintritt, bevor Kündigungen frühestens wirksam werden können. Das bedeutet letztendlich eine sogenannte Mindestkündigungsfrist bei Massenentlassungen. Während dieser Sperrfrist können Entlassungen nur wirksam werden, wenn die Agentur für Arbeit hierzu die Zustimmung erteilt. Das setzt einen entsprechenden Antrag des Arbeitgebers voraus. Im Einzelfall kann die Agentur für Arbeit auch verschärfend eingreifen und bestimmen, dass die Entlassungen nicht vor Ablauf von längstens zwei Monaten nach Eingang der Anzeige wirksam werden.
Übersteigt die individuelle Kündigungsfrist die Sperrfrist, so ist die längere Frist einzuhalten und die Vorschrift entfaltet somit keine Wirkung.
Wird die Massenentlassung nicht oder fehlerhaft bei der Agentur für Arbeit angezeigt, waren nach bisher ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) alle ausgesprochenen Kündigungen wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot unwirksam. Diese Rechtsprechung befindet sich aber derzeit im Wandel. Möglich ist eine Rechtsprechungsänderung des BAG dahingehend, dass selbst das vollständige Fehlen einer Massenentlassungsanzeige nicht mehr zur Unwirksamkeit der Kündigungen führt. Die abschließende Klärung bleibt abzuwarten und sollte auch von Betriebsräten sorgsam, verfolgt werden.
Unberührt von der geplanten Rechtsprechungsänderung bleibt aber die Behandlung von Fehlern im vorgeschalteten Konsultationsverfahren mit dem Betriebsrat. Kündigungen, die ohne vorherige Durchführung des Konsultationsverfahrens ausgesprochen werden, sind und bleiben auch weiterhin unwirksam.
Auch im Rahmen einer Massenentlassung gilt der allgemeine Kündigungsschutz fort. Das bedeutet: Jede Kündigung muss – wie bei Einzelkündigungen und sofern das Kündigungsschutzgesetz Anwendung findet – sozial gerechtfertigt sein, etwa aus dringenden betrieblichen Gründen. Beschäftigte haben die Möglichkeit, innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht zu erheben. Kommt der Arbeitgeber seinen gesetzlichen Pflichten – etwa der Beteiligung des Betriebsrats– nicht nach, kann dies die Erfolgsaussichten einer Klage deutlich verbessern.
Ein gesetzlicher Anspruch auf Abfindung besteht im Zusammenhang mit einer Massenentlassung nicht automatisch. Abfindungen werden jedoch häufig im Rahmen eines Sozialplans vereinbart, sofern ein Betriebsrat vorhanden ist. Gibt es keinen solchen Plan, besteht für Arbeitnehmer*innen die Möglichkeit, individuelle Abfindungsregelungen direkt mit dem Arbeitgeber zu verhandeln – insbesondere im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs oder zur Vermeidung einer Kündigungsschutzklage.
Besteht kein Betriebsrat, entfällt das gesetzlich vorgeschriebene Konsultationsverfahren gemäß § 17 Abs. 2 KSchG. Dennoch bleibt die Pflicht zur Anzeige der beabsichtigten Massenentlassung bei der Agentur für Arbeit bestehen – ebenso wie die Einhaltung der Monatsfrist vor Wirksamwerden der Kündigungen.
Für die betroffenen Arbeitnehmer*innen bedeutet das: Es fehlt eine kollektive Interessenvertretung, die sich für Sozialplanregelungen oder bessere Bedingungen starkmachen könnte. Die Beschäftigten sind auf sich allein gestellt und müssen ihre Rechte individuell wahrnehmen – etwa durch die Prüfung der Kündigung auf soziale Rechtfertigung oder durch eigenständige Verhandlungen über eine Abfindung.
Gerade in betriebsratslosen Unternehmen ist es daher ratsam, sich rechtzeitig gewerkschaftlich oder juristisch beraten zu lassen, um etwaige Formfehler oder unzulässige Kündigungen anzufechten. Auch die Gründung eines Betriebsrats kann eine wichtige Option für die Zukunft darstellen – insbesondere, wenn weitere Umstrukturierungen absehbar sind.
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