von Anja Moos, Trainerin, Coach, Mediatorin, KI-Managerin
Die Frage mutet komisch an, aber es gibt in Deutschland keine belastbaren Zahlen zur Ausbildung von behinderten Menschen in staatlich anerkannten Ausbildungsberufen. Dies räumt das BiBB in seinem Datenreport zum Berufsbildungsbericht 2024 ein (vgl. S. 126/127). Ist das nun ein gutes oder ein schlechtes Zeichen?
2023 hatte Deutschland 84,7 Mio. Einwohner*innen – davon waren 9,3 % schwerbehindert. Die meisten Schwerbehinderungen werden erst im Laufe des Lebens erworben. Lediglich 3 % waren schwerbehinderte Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren (vgl. Pressemitteilung des Statistischen Bundesamts).
Wie dem letzten Datenreport zum Berufsbildungsbericht 2024 des BiBB zu entnehmen ist, wurden 2023 insgesamt 489.183 neue Ausbildungsverträge geschlossen, davon 6.222 Ausbildungsverträge in Berufen für Menschen mit Behinderung (§ 66 BBiG und § 42r HwO). Dabei handelt es sich um die sogenannte 2- bis 3-jährige Ausbildung zum Fachpraktiker/Werker. Diese Ausbildung zeichnet die reduzierte Fachtheorie und stärkere Orientierung an der Fachpraxis aus. Damit soll vor allem Menschen mit einer „reinen“ Lernbehinderung (z.B. Dyskalkulie oder Legasthenie) die Chance auf eine Berufsausbildung eröffnet werden: Behinderungen im Lernen der Theorie gehen nicht zwangsläufig mit Schwierigkeiten im Erwerben und Behalten praktischer Vorgänge einher. Es gibt 10 Ausbildungsgänge. Tatsächlich werden in überwiegender Zahl Ausbildungsverträge zum Fachpraktiker für Hauswirtschaft oder Holzverarbeitung abgeschlossen. Für die große Mehrheit derjenigen, die eine Werkstatt für behinderte Menschen besuchen, kommt jedoch eine Ausbildung zum Fachpraktiker nicht in Frage: Menschen mit einer geistigen Behinderung sind meist den Anforderungen nicht gewachsen.
Ausbildungen in Berufen für Menschen mit Behinderung müssen bei der zuständigen Stelle bzw. Kammer beantragt werden. Sie setzt den Nachweis der entsprechenden Ausbildungsmöglichkeit sowie einen Ausbilder mit einer Rehabilitationspädagogischen Zusatzqualifikation (ReZA) voraus. Einerseits dürften mit diesen Voraussetzungen die Chancen auf ein Ausbildungsangebot sinken – andererseits bedürfen Menschen der betreffenden Zielgruppe besonderer Förderungen bzw. eines Verständnisses des Ausbildenden für die spezifischen Herausforderungen und geeigneten Ausbildungsmethoden. Im Berichtsjahr 2022 waren von den 6.597 Ausbildungsverträgen „nur“ 576 überwiegend betrieblich finanziert (zum Vergleich: Von den 463.272 Verträgen in staatlich anerkannten Ausbildungsberufen waren 452.781 überwiegend betrieblich finanziert).
Die Zahl der Ausbildungen für behinderte Menschen ist seit Jahren kontinuierlich rückläufig: 2008 wurden noch 14.751 entsprechende Ausbildungsverträge neu abgeschlossen. Doch auch wenn die Zahlen rückläufig sind, sagt es nur etwas über die spezifische Ausbildung gemäß § 66 BBiG und § 42r HwO aus – aber nichts über Ausbildungen in anerkannten Ausbildungsberufen und Menschen mit körperlichen, seelischen oder Sinnesbeeinträchtigungen, die länger als 6 Monate an der gleichberechtigten Teilhabe hindern (vgl. 2 (1) SGB IX).
Was ist denn dann über die duale Ausbildung schwerbehinderter Menschen bekannt?
Die Bundesagentur für Arbeit weist in ihrem Analysebericht zum Arbeitsmarkt für Menschen mit Behinderung aus dem Jahr 2024 Folgendes aus:
Im Jahr 2021 waren
2022 wurden gemäß dem Anzeigenverfahren 8.000 als Auszubildende geführt. 35,6 % der Arbeitgeber erfüllten ihre Beschäftigungspflicht von behinderten Menschen nur teilweise und 25, 9 % gar nicht.
2023 verfügten bei schwerbehinderten Menschen – einschließlich der gleichgestellten Personen
Die Fachkräfteressource „behinderte Menschen“ ist nicht übermäßig groß, aber sie hat Potenzial – und dies belegen u. a. die oben dargelegten Fakten.
Von weiterem Interesse dürften daher auch die weiteren Teile in den nächsten beiden Newslettern sein: