Scheinausbildung - wenn Auszubildende als billige Arbeitskraft missbraucht werden

730x300 - Mann in blauer Arbeitskleidung mit Besen

Eigentlich sollte es selbstverständlich sein: Schließt ein Arbeitgeber mit einem Auszubildenden einen Ausbildungsvertrag ab, muss er auch ordnungsgemäß ausbilden. Der Auszubildende erhält für die Tätigkeit, für die er erst noch ausgebildet werden soll, dementsprechend auch nur eine vergleichsweise geringe Ausbildungsvergütung. Leider kommt es jedoch immer wieder vor, dass Auszubildende nur auf dem Papier als solche eingestellt werden, in der Realität aber keine echte Ausbildung erhalten, sondern vom Arbeitgeber nur als kostengünstige Arbeitskraft ausgenutzt werden. 

Dieser Praxis hat nun das Arbeitsgericht Bonn zumindest in dem von ihm entschiedenen Fall einen Riegel vorgeschoben.

Der Arbeitgeber war dabei in diesem Fall auch besonders plump und dreist vorgegangen. Er hatte mit dem jungen Mann einen Ausbildungsvertrag zum Gebäudereiniger abgeschlossen. Dafür sollte der Auszubildende eine Ausbildungsvergütung in Höhe von monatlich 775 Euro brutto erhalten. Tatsächlich meldete der Arbeitgeber jedoch weder das Ausbildungsverhältnis bei der Gebäudereiniger-Innung noch den Azubi in der Berufsschule an. Auch einen Ausbildungsplan oder ähnliches erstellte er nicht.

Der vermeintliche Azubi hatte lediglich eine einmalige Einweisung in seine Tätigkeit durch einen Arbeitskollegen erhalten und wurde danach 39 Stunden die Woche als Reinigungskraft eingesetzt. Gezahlt wurde ihm dafür nur die vereinbarte Ausbildungsvergütung.

Der Auszubildende realisierte jedoch, dass die Bezahlung für seinen Einsatz als Vollzeitkraft im Vergleich zu den Kollegen ziemlich niedrig war und klagte vor dem Arbeitsgericht auf mehr Lohn.

Das Arbeitsgericht Bonn gab ihm mit Ur­teil vom 08.07.2021 (Az.: 1 CA 308/2) Recht und sprach ihm für die von ihm geleistete Arbeitszeit in entsprechender Anwendung von § 612 BGB einen Anspruch auf die übliche Vergütung eines ungelernten Arbeitnehmers zu. Denn in Wirklichkeit sei er nach Art und Umfang seiner Arbeit wie eine ungelernte Kraft beschäftigt worden.

Anmerkung: Der vom Gericht zitierte Paragraph besagt, dass eine Vergütung als stillschweigend vereinbart gilt, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. Ist die Höhe der Vergütung nicht festgelegt, ist die übliche Vergütung als vereinbart anzusehen.

Ein Auszubildender, der als Arbeitnehmer eingesetzt werde, ohne ausgebildet zu werden, erbringe Leistungen, zu denen er auf der Grundlage seines Ausbildungsvertrags nicht verpflichtet sei, so das Arbeitsgericht. Damit seien die von dem Auszubildenden erbrachten Leistungen nicht durch die Zahlung seiner Ausbildungsvergütung abgegolten. Vielmehr könne die übliche Vergütung eines vergleichbaren Arbeitnehmers verlangt werden.

Mit anderen Worten: Bildet ein Arbeitgeber seinen Auszubildenden tatsächlich gar nicht aus, sondern setzt ihn nur als Arbeitskraft ein, muss er ihn auch entsprechend bezahlen.

Für den klagenden Azubi, der als ungelernte Kraft in der Gebäudereinigung beschäftigt worden war, hieß das, dass er die tarifliche Vergütung nach der Lohngruppe 1 des Rahmentarifvertrages für die gewerblichen Beschäftigten in der Gebäudereinigung verlangen konnte.

Zu guter Letzt: Lehrjahre sind keine Herrenjahre, sagt der Volksmund. Auch das neue Ausbildungsjahr, das gerade begonnen hat, wird den Berufsanfängern sicher wieder einiges abverlangen. Dafür sorgen schon allein die nach wie vor geltenden Einschränkungen durch die Corona-Pandemie. Aber auch ohne diese zusätzlichen Belastungen stellt der Beginn der Ausbildung junge Menschen, die sich vielleicht erstmals in eine Betriebshierarchie einordnen oder Anweisungen von Vorgesetzten befolgen müssen, vor neue Herausforderungen. Aber alles hat seine Grenzen, wie das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn glücklicherweise belegt. Auszubildende haben eigene Rechte und müssen sich nicht alles gefallen lassen.

Als JAV steht ihr dabei den neuen Auszubildenden in eurem Betrieb hilfreich zur Seite und achtet darauf, dass ihre Rechte eingehalten werden. Zusammen mit dem Betriebsrat solltet ihr euch unbedingt dafür einsetzen, dass die Ausbildungen in eurem Betrieb nach dem Rahmenplan verlaufen und Ausbildungsziele nicht gefährdet werden.

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