Wann und wie ist ein Wirtschaftsausschuss zu errichten?

 

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Bildung hilft – auch die eines Wirtschaftsausschusses! Also die Gründung desselben. Wenn Sie sich als Betriebsrat nicht auf die allgemeinen Unterrichtungsansprüche nach § 80 Abs. 2 BetrVG beschränken lassen möchten: kurz mal durchgezählt! Kommen Sie auf mehr als 100 Arbeitnehmer*innen im Unternehmen, so könnten Sie einen Wirtschaftsausschuss errichten (müssen) und so über diesen dann Anspruch auf viel weitergehende Informationen haben, wie z. B. durch Einblick in die Jahresbilanz oder den Wirtschaftsprüferbericht zum Jahresabschluss.

Aber unter welchen Voraussetzungen ist die Errichtung eines Wirtschaftsausschusses überhaupt möglich? Wer ist zuständig dafür und wer sollte Mitglied im Wirtschaftsausschuss sein?

 

Der Wirtschaftsausschuss ist ein Ausschuss des Betriebsrats bzw. Gesamtbetriebsrats („Hilfsorgan“). Er ist zwingend zu errichten, wenn im Unternehmen in der Regel mehr als 100 Arbeitnehmende ständig beschäftigt werden – also mindestens 101. Ausnahme: Bei Tendenzunternehmen im Sinne von § 118 BetrVG ist die Errichtung eines Wirtschaftsausschusses ausgeschlossen, vgl. dazu auch Grundmann, Wirtschaftsausschuss, Rieder-Verlag, 4. Aufl. 2020, S. 17 ff.

 

Wer zählt mit?

Bei der Ermittlung der Personenzahl ist auf den betriebsverfassungsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff des § 5 BetrVG zurückzugreifen. Als Beschäftigte zählen nur Arbeiter*innen und Angestellte einschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten sowie auch die in Heimarbeit Beschäftigten, die in der Hauptsache für den Betrieb arbeiten, § 5 Abs. 1 Satz 2 BetrVG. Die in § 5 Abs. 2 BetrVG genannten Personen und Leitende Angestellte werden nicht mitgezählt. Ob Leiharbeitnehmer*innen mitzuzählen sind, war lange Zeit umstritten. Erst 2013 brachte das BAG Klarheit in diese viel diskutierte Frage und entschied, dass Leiharbeitnehmer*innen bei der Berechnung für sämtliche Schwellenwerte des Betriebsverfassungsgesetzes mit einzubeziehen sind. Bei mehreren Betrieben gilt die Gesamtzahl der Beschäftigten. Zu den Besonderheiten bei Gemeinschaftsbetrieben und grenzüberschreitenden Unternehmen vgl. Grundmann, Wirtschaftsausschuss, Rieder-Verlag, 4. Aufl. 2020. S. 17 ff.

 

Welcher Zeitpunkt ist maßgeblich?

Die Anzahl der o.g. Personen muss insgesamt die normale über 100 Personen bildende Beschäftigtenzahl darstellen. Nicht der aktuelle Stand ist ausschlaggebend – also weder der zum Zeitpunkt der Betriebsratswahl, der Gründung des Wirtschaftsausschusses oder der jeweils zum Zeitpunkt des Tätigwerdens tagesaktuell zu bemessende – sondern die normale Zahl der Beschäftigten, die sich durch einen Rückblick auf die vergangene und einen Ausblick auf die künftige Personalstärke ermitteln lässt. Tipp: Kontrollfrage: „Wie viele Mitarbeitende sind im Normalfall im Unternehmen?“  Vorübergehende Schwankungen der Belegschaftsstärke sind dabei unerheblich.

 

Wer ist zuständig für die Errichtung?

Zuständig für die Errichtung des Wirtschaftsausschusses ist grundsätzlich der Gesamtbetriebsrat, § 107 Abs. 2 BetrVG. Besteht im Unternehmen allerdings nur ein Betriebsrat, so ist dieser Betriebsrat auch für die Bildung des Wirtschaftsausschusses zuständig.

Bestehen mehrere Betriebe, so kommt es darauf an:

  • Besteht gleichwohl nur ein Betriebsrat, so bestimmt dieser den Wirtschaftsausschuss.
  • Bestehen mehrere Betriebsräte, so ist zwingend der Gesamtbetriebsrat für die Bestimmung der Mitglieder des Wirtschaftsausschusses zuständig.

Besteht kein Gesamtbetriebsrat, obwohl ein Gesamtbetriebsrat gebildet werden könnte, so kann der Wirtschaftsausschuss nach überwiegender Meinung nicht gebildet werden.

Tipp: Wenn die Voraussetzungen für einen Gesamtbetriebsrat vorliegen, schnell errichten!

Der Konzernbetriebsrat kann keinen Wirtschaftsausschuss errichten. ABER: Auf Konzernebene kann freiwillig ein Wirtschaftsausschuss gebildet werden. Dies wiederum hat grundsätzlich keinen Einfluss auf die gesetzlich nach § 106 BetrVG zu bildenden Wirtschaftsausschüsse, kann also „on top“ erfolgen.

 

Bestimmung der Mitglieder des Wirtschaftsausschusses

Jedes Mitglied des Wirtschaftsausschusses ist vom Gesamtbetriebsrat bzw. Betriebsrat einzeln mit einfacher Stimmenmehrheit durch Beschluss zu bestimmen. Eine Blockwahl ist zulässig. Dann muss jeder Stimmberechtigte so viele Stimmen haben, wie Mitglieder zu wählen sind. Einen Minderheiten- oder Gruppenschutz sieht das Gesetz nicht vor. Die Bestellung erfolgt mit der einfachen Mehrheit der Stimmen entweder im Gesamtbetriebsrat oder in dem bestellenden Betriebsrat.

Die Zusammensetzung des Wirtschaftsausschusses regelt § 107 Abs. 1 BetrVG: Der Wirtschaftsausschuss besteht aus mindestens drei und höchstens sieben Mitgliedern. Darunter mindestens ein Mitglied des Betriebsrats (Mindestrepräsentanz). Die Entscheidung, aus wie vielen Mitgliedern der Wirtschaftsausschuss genau bestehen soll, trifft alleine der bestellende Gesamtbetriebsrat/Betriebsrat. Auf die Unternehmensgröße kommt es dabei nicht an. Eine Abstimmung mit dem Arbeitgeber über die Größe des Wirtschaftsausschusses kann sinnvoll sein, ist aber nicht Voraussetzung.

Der Wirtschaftsausschuss trifft keine formellen, sondern nur interne Beschlüsse. Er kann deshalb auch aus einer geraden Personenzahl bestehen.

 

Persönliche Voraussetzungen der Mitglieder

Jeder Mitarbeitende, der dem Unternehmen ständig, also nicht nur vorübergehend in einer Funktion angehört, kann auch Mitglied des Wirtschaftsausschusses sein. Auch leitende Angestellte können gemäß § 107 Abs. 1 S. 2 BetrVG in den Wirtschaftsausschuss gewählt werden.

Die Mitglieder sollen die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderliche fachliche und persönliche Eignung besitzen. Dabei sind die Anforderungen aber nicht zu hoch anzusetzen, ein „gewisses Maß“ an Urteilsfähigkeit in wirtschaftlichen Angelegenheiten genügt. Diese Fähigkeiten können z. B. bereits durch die berufliche Tätigkeit gegeben sein oder auch im Selbststudium bzw. durch den Besuch von Schulungen erworben und vertieft werden.

Dies bedeutet: Grundsätzlich können Sie den Wirtschaftsausschuss auch mit ausschließlich Betriebsratsmitgliedern besetzen, die nicht alle schon Wirtschaftsexperten sind. Sofern Sie aber geeignete Kandidat*innen außerhalb des Gremiums haben, sprechen Sie diese an – die von diesen bereits mitgebrachten Fachkenntnisse sind sicherlich wertvoll und müssen nicht erst anderweitig erworben werden!

Und wenn Sie nun oder auch schon seit längerem Ihren Wirtschaftsausschuss errichtet haben – aber noch weitere Fragen haben, z. B. zu den Rechten und Pflichten und der persönlichen Rechtsstellung der Mitglieder oder auch zu den vielschichtigen wirtschaftlichen Fragestellungen in Ihrem Unternehmen:

Wir haben die passende Veranstaltung für Sie!