Weiterbildung mit Om

 

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Passend zur beginnenden Ferienzeit beschäftigen wir uns diesmal mit dem Thema Urlaub - wenn auch nur in der Form von Bildungsurlaub. Aber auch dieser kann durchaus entspannend sein, wie unser heutiger skurriler Rechtsfall zeigt.

In diesem geht es um einen im Bereich Informationstechnologie tätigen Arbeitnehmer und seines Zeichens Mitglied des Betriebsrats, der mit seinem Arbeitgeber um die Inanspruchnahme von Bildungsurlaub stritt.

Zum Hintergrund: In den meisten Bundesländern haben Arbeitnehmer unter bestimmten Voraussetzungen einen gesetzlichen Anspruch auf bezahlte Freistellung zur Teilnahme an einer Bildungsmaßnahme. Dieser sogenannte Bildungsurlaub ist in den Gesetzen der Länder unterschiedlich ausgestaltet. Bildungsurlaub ist zusätzlich zum regulären Urlaubsanspruch zu gewähren, wenn in der Zeit ein Seminar besucht wird, das als Bildungsurlaub anerkannt ist.

Nun wird man bei dem Begriff „Bildungsurlaub“ gemeinhin wohl an eine berufliche Fortbildung mit dem Ziel der fachlichen Weiterentwicklung und Qualifikation denken. Der Arbeitnehmer und spätere Kläger unseres Falls beabsichtigte jedoch, an einem von der Volkshochschule angebotenen fünftägigen Kurs "Yoga I - erfolgreich und entspannt im Beruf mit Yoga und Meditation" teilzunehmen.

Dazu hieß es in dem Kursprogramm unter anderem:

„Leiden Sie unter dem Gefühl von Überlastung, Zeitnot und Leistungsdruck? Ob diese Faktoren gesundheitsschädigend wirken, hängt auch von der Fähigkeit des Organismus ab, sich mit diesen Stressoren auseinanderzusetzen. Durch die Unterstützung bestimmter Methoden und Techniken kann es gelingen, Körper, Gedanken und Gefühle positiv zu beeinflussen und damit Stress und Anspannung abzubauen und Konflikte besser zu bewältigen. Das Seminar bietet folgende Inhalte: Stressabbau durch bewusste Annahme und Verarbeitung des stressauslösenden Faktoren, Einführung in verschiedene Entspannungstechniken wie Yoga, Tiefenentspannung, Muskelentspannung, Atemarbeit und Konzentrationsübungen.“

Und nicht zu vergessen:

„Bitte bringen Sie bequeme Kleidung und eine Decke mit.“
Der Arbeitnehmer informierte seinen Arbeitgeber über die beabsichtigte Kursteilnahme und beantragte bei diesem einen einwöchigen, bezahlten Bildungsurlaub nach dem Berliner Bildungsurlaubsgesetz (BiUrlG).

In dessen § 1 Abs. 1 hieß es zum damaligen Zeitpunkt:
    
„Arbeitnehmer haben unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts gegenüber ihrem Arbeitgeber Anspruch auf Freistellung von der Arbeit für die Teilnahem an anerkannten Bildungsveranstaltungen.“

Der Arbeitgeber lehnte das Ansinnen seines Mitarbeiters jedoch ab und meinte, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Bildungsurlaub nicht vorlägen. Er berief sich dabei auf die Vorgaben des § 1 Abs. 4 BiUrlG und begründete wie folgt: 

„Die Grundsätze des Berliner Bildungsurlaubsgesetz sehen vor, dass der Bildungsurlaub der politischen und der beruflichen Weiterbildung dienen. Die Berufliche Weiterbildung soll die berufliche Qualifikation erhalten, verbessern oder erweitern und die Kenntnisse gesellschaftlicher und betrieblicher Zusammenhänge vermitteln. Diese Grundsätze sehen wir in dem von Ihnen favorisierten Kurs der Volkshochschule nicht, sodass wir einem Antrag auf Bildungsurlaub nicht zustimmen.“

Nach Ansicht des Arbeitgebers wäre eine Weiterbildungsmaßnahme also nur anzuerkennen, wenn sie kumulativ der beruflichen Qualifizierung dienen und zudem gleichzeitig die Kenntnis der gesellschaftlichen und betrieblichen Zusammenhänge vermitteln würde.

So einfach wollte der Arbeitnehmer aber nicht klein beigeben und verfolgte seinen Wunsch nach Bildungsurlaub gerichtlich weiter. Und siehe da…die Gerichte gaben ihm Recht.

So entschied zuletzt das LAG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 11.04.2019 - 10 Sa 2076/18), dass ein Yogakurs unter bestimmten Voraussetzungen Bildungsurlaub rechtfertigen könne.

Das LAG berief sich dabei auf die Gesetzesmaterialien. Daraus ergebe sich, dass es nach dem Willen des Gesetzgebers ausreiche, dass eine Veranstaltung entweder der politischen Bildung oder der beruflichen Weiterbildung diene.

Dabei sei der Begriff der beruflichen Weiterbildung – so das Gericht weiter - nach der Gesetzesbegründung weit zu verstehen. Hiernach solle unter anderem „die Anpassungsfähigkeit und Selbstbehauptung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern unter den Bedingungen fortwährenden und sich beschleunigenden technischen und sozialen Wandels gefördert werden.“ Auch solle mit dem Bildungsurlaubsgesetz „eine Stärkung der Persönlichkeitsentwicklung der Arbeitnehmer erreicht werden.“

Das Gericht führte weiter aus, dass trotz „allgemein hoher Arbeitszufriedenheit bei den Beschäftigten gleichzeitig viele Beschäftigte über zunehmenden Stress und Arbeitsdruck, Schlafstörungen und Erschöpfung klagen (…) und zwar nicht nur bei mobiler digitaler Arbeit, sondern auch in den traditionellen Arbeitsformen“. Die „Bewältigung dieser Belastungsfaktoren“ diene „der Verbesserung und Erweiterung der beruflichen Qualifikation und damit dem Gesetzeszweck des § 1 Abs. 4 BiUrlG“. Auch ein Yoga-Kurs mit einem geeigneten didaktischen Konzept könne daher diese Voraussetzungen erfüllen.

Es lässt sich also abschließend feststellen, dass auch Veranstaltungen als Weiterbildung im Rahmens eines Bildungsurlaubs in Betracht kommen, deren Weiterbildungscharakter sich zumindest nicht auf den ersten Blick jedermann erschließt.

Ob der Mitarbeiter in diesem Fall allerdings letztlich das erklärte Ziel des Kurses, nämlich Stress und Anspannung abzubauen, nachhaltig erreichen konnte, mag man angesichts des noch über die Dauer des Kurses hinausgehenden Rechtsstreits bezweifeln ...