Führungskräfte stehen unter ständigem Druck und werden täglich vor neue Herausforderungen gestellt. Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten suchen einige Arbeitgeber nach immer neuen Methoden sich unliebsamer Führungskräfte zu entledigen. Eine Möglichkeit wird in einer vorweggenommenen Abmahnung gesehen. Was man genau darunter versteht und ob ein solche Vorgehensweise zulässig ist, damit beschäftigen wir uns in der Frage des Monats:
Die beklagte Arbeitgeberin stellte die klagende Führungskraft im April 2014 ein. Wenige Tage nach seiner Einstellung unterschrieb der Kläger eine ihm von der Beklagten vorgelegten "Verpflichtungserklärung zur Einhaltung des Verbots der Privatnutzung von Dienstfahrzeugen". Der Kläger wurde in diesem Dokument unter anderem darüber belehrt wurde, dass "ein Verstoß gegen diese Anordnung arbeitsrechtliche Folgen (Ermahnung/Abmahnung/Kündigung/ o. Ä.) haben wird."
Im März 2016 veranlasste der Kläger, dass ein Mitarbeiter anlässlich einer dienstlichen Tätigkeit mit einem Dienstauto das private Sakko des Arbeitnehmers aus einer Reinigung abholte. Im Mai desselben Jahres ließ sich der Kläger, weil sein Pkw defekt war, von einem Auszubildenden mit einem Dienstfahrzeug von zu Hause zur Dienststelle fahren und wieder zurückbringen.
Die beklagte Arbeitgeberin sprach dem Kläger daraufhin die fristlose Kündigung aus. Hilfsweise sprach sie die ordentliche verhaltensbedingte Kündigung wegen Verstoßes gegen das Verbot der Privatnutzung von Dienstfahrzeugen aus.
Das Gericht (LAG Schleswig-Holstein Az.: 5 Sa 5/17) gab der klagenden Führungskraft recht.
Zwar sei das oben genannte Verhalten der Führungskraft als Pflichtverletzung zu werten, welche theoretisch die außerordentliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen könne, allerdings sei die ausgesprochene Kündigung im konkreten Fall unverhältnismäßig und somit unwirksam. Beruht das Fehlverhalten - wie vorliegend - auf einem steuerbaren Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch Androhung von Folgen positiv beeinflusst werden kann. Der Kündigung muss also eine Abmahnung vorausgehen, die sich auf das konkrete Fehlverhalten des Arbeitnehmers bezieht.
Die von der Beklagten ausgesprochene vorweggenommene Abmahnung enthält lediglich den generellen Hinweis des Arbeitgebers, dass bestimmte, in der Regel genau bezeichnete Pflichtverletzungen, zu arbeitsrechtlichen Konsequenzen von einer Ermahnung bis hin zur fristlosen Kündigung führen können. Die von dieser vorweggenommenen Mahnung ausgehende Warn- und Hinweisfunktion sei jedoch nicht mit derjenigen vergleichbar, die von einer konkreten förmlichen Abmahnung ausgeht.
Die vorweggenommene Abmahnung ist kein "Allheilmittel" für Arbeitgeber, die sich an dem Erfordernis der Abmahnung erst nach dem konkreten Fall "stören". Es ist nicht möglich (auch nicht durch Vereinbarung), Pflichtverletzungen per se das Gewicht einer außerordentlichen Kündigung zu verleihen. Die vorweggenommene Abmahnung ist allerdings nicht bedeutungslos, da sie bei schweren Pflichtverletzungen die Interessenabwägung zulasten des Arbeitnehmers beeinflussen kann.