JAV - wie eure Mitbestimmung Azubis durch eine Krise helfen kann

 

730x300 - Fünf Jugendliche mit neutral-ernsten Gesichtern

In den letzten Wochen konnte man immer wieder hören und lesen, dass Auszubildende von den Folgen der Corona-Pandemie besonders hart betroffen sind.  Einige mussten mehr arbeiten, während andere ganz zuhause bleiben sollten und zum Teil um den Verlust ihres Ausbildungsplatzes fürchteten. Hinzu kam, dass die theoretische Ausbildung durch die Berufsschulen fehlte und viele Auszubildenden sich um die bevorstehenden Abschlussprüfungen sorgten.

Das muss aber nicht immer so sein. Ihr als Jugend- und Auszubildendenvertreter könnt im Betrieb für die Interessen der Auszubildenden einstehen und eure Mitbestimmung aktiv dafür nutzen. Auch während der Corona-Pandemie müssen Ausbilder und Arbeitgeber – soweit möglich – auf eure Belange achten!

Ein gutes Beispiel für eine starke Mitbestimmung gibt aktuell die Stahlindustrie. Hättet ihr gedacht, dass in dieser Branche deutschlandweit rund 85.000 Menschen arbeiten?

Die Betriebsräte, Gewerkschaften und auch die JAV kämpfen dort seit jeher intensiv für ihre Mitbestimmung und konnten in der Vergangenheit damit oft viel erreichen. Neben betrieblicher und sozialer Gerechtigkeit war ein Ziel dabei schon immer die Ausbildung und Qualifizierung von (jungen) Mitarbeitern.

Auch jetzt in Corona-Zeiten sieht das nicht anders aus:

Die Stahlindustrie hat gezeigt, dass Präsenzunterricht und Ausbildung nicht stillliegen müssen. In der ungewohnten Situation, wie wir sie seit März 2020 erlebt haben, ist es enorm wichtig, flexibel zu reagieren und anpassungsfähig zu sein.

Nach einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung findet eine Präsenzausbildung in der Stahlindustrie weiterhin statt. Dies sei möglich, weil der Unterricht in Kleingruppen erfolge und die Hygienestandards eingehalten würden. So werde der Mindestabstand gewahrt, die Unterrichtsplätze würden regelmäßig desinfiziert und es herrsche Maskenpflicht. Zudem würden mehr digitale Technologien eingesetzt.

Laut der Studie werde außerdem deutlich, wie wichtig ein „Puffer“ von sechs Wochen in der Ausbildung sei. Ohne diesen wäre der planmäßige Ablauf der Ausbildung in der momentanen Phase noch schwieriger gewesen als ohnehin schon. Gerade jetzt könne man sehen, dass eine Verkürzung der Ausbildungszeit - wie diese von den Arbeitgebern aus Kostengründen gefordert wird - nicht sinnvoll sei. Dies würde zu einer Überforderung des Systems führen.

Konkret: Was müsst ihr jetzt über eure Mitbestimmung wissen?

Ganz wichtig ist zunächst einmal, dass auch in der Krise eure Mitbestimmungsrechte grundsätzlich nicht eingeschränkt sind, sondern unverändert bestehen bleiben!

Um eure Rechte durchzusetzen, muss die JAV-Arbeit natürlich auch in Corona-Zeiten weiterlaufen. Daher kann es unter Umständen erforderlich sein, Sitzungen abzuhalten und ggf. sogar zu reisen. Hier darf euch der Arbeitgeber keine Steine in den Weg legen. Mit der vorübergehenden Neuregelung des § 129 BetrVG steht euch nun auch die Möglichkeit offen, Sitzungen via Videokonferenz abzuhalten und sogar Beschlüsse auf diesem Wege zu fassen. Die Kosten für die dafür benötigte Technik hat der Arbeitgeber zu tragen. Auch euer Recht auf Freistellung bleibt euch in Corona-Zeiten erhalten.

Wichtig ist zudem, dass Auszubildende nicht mit ausbildungsfremden Tätigkeiten betraut werden. Auch Kurzarbeit für Auszubildende kommt nur in absoluten Ausnahmefällen in Betracht – nämlich dann, wenn alle anderen Möglichkeiten der Beschäftigung ausgeschöpft sind.

Ihr solltet ferner darauf achten, dass euer Arbeitgeber seiner arbeitsrechtlichen Schutz- und Fürsorgepflicht nachkommt. Bei der Auswahl von Maßnahmen, die die Sicherheit und den Gesundheitsschutz betreffen, hat der Betriebsrat mitzubestimmen. Rechtsgrundlage hierfür ist § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG i. V. m. § 3 ArbSchG, wonach der Betriebsrat verpflichtet ist, sein Initiativrecht zu nutzen, falls der Arbeitgeber untätig bleibt. Die JAV kann im Rahmen ihrer allgemeinen Aufgaben Maßnahmen des Gesundheitsschutzes beim Betriebsrat beantragen.

Selbst im Falle einer Betriebsschließung ist eine Aufrechterhaltung der Ausbildung nicht unbedingt ausgeschlossen. Gerade dann sind Flexibilität und Kreativität gefragt, um Lösungen zu finden, die für beide Parteien geeignet sind. Gemeinsam sollte überlegt werden, ob eine praktische Ausbildung beispielsweise durch Videokonferenzen oder alternative Lernmöglichkeiten gewährleistet werden kann. Hierbei kommt es natürlich auf den jeweiligen Ausbildungsberuf und die technische Ausstattung der Ausbildungsbetriebe an.

Bereits genehmigter Urlaub von Auszubildenden darf nur aus gravierenden Gründen gestrichen werden. Hier kann der JAV ggf. ein Mitbestimmungsrecht aus § 67 BetrVG zustehen.

Ihr seht also, dass es auch in der aktuellen Situation Möglichkeiten gibt, euch einzusetzen. Bei Problemen hierbei sollte auf jeden Fall der Betriebsrat euer erster Ansprechpartner sein. Gerade in Krisenzeiten ist es wichtig, eine gute Zusammenarbeit zu pflegen und sich gegenseitig zu unterstützen.

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