Digitale Betriebsratssitzung - was ist neu?

 

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Was Sie jetzt zu den Veränderungen durch das Betriebsrätemodernisierungsgesetz wissen müssen

Die Teilnahme an Betriebsratssitzungen mittels Video- oder Telefonkonferenz war bisher nur nach Maßgabe des § 129 BetrVG und befristet möglich. Nun hat der Deutsche Bundestag am 21. Mai 2021 das Betriebsrätemodernisierungsgesetz verabschiedet. Betriebsräte erhalten - neben anderen Neuregelungen - damit dauerhaft die Möglichkeit, unter Wahrung des Vorrangs von Präsenzsitzungen und unter vom Betriebsrat selbst gesetzten Rahmenbedingungen, Sitzungen mittels Video- und Telefonkonferenz durchzuführen. Dazu sind u. a. die §§ 30, 33, 34 BetrVG ergänzt worden.

Was aber gilt nunmehr im Detail?

Bisher ermöglichte die Altfassung des § 129 Abs. 1 BetrVG aus Anlass der Corona-Pandemie befristet die Teilnahme an Betriebsratssitzungen mittels Video- und Telefonkonferenz. Diese Möglichkeit bleibt darüber hinaus nunmehr dauerhaft bestehen: Betriebsräte können Sitzungen mittels Video- und Telefonkonferenz durchführen, wobei die Präsenzsitzung grundsätzlich Vorrang haben soll (§ 30 Abs. 1, 2 BetrVG n.F.). Die Sitzung mittels Video- und Telefonkonferenz ist jedoch nur zulässig, wenn

  • die Voraussetzungen dafür in der Geschäftsordnung des Betriebsrats unter Sicherung des Vorrangs der Präsenzsitzung festgelegt sind
     
  • und nicht mindestens ein Viertel der Mitglieder des Betriebsrats binnen einer von dem Vorsitzenden zu bestimmenden Frist diesem gegenüber widerspricht
     
  • und sichergestellt ist, dass Dritte vom Inhalt der Sitzung keine Kenntnis nehmen können.

Vorrang der Präsenzsitzung und Regelung in Geschäftsordnung

Betriebsratssitzungen sind nun dauerhaft per Video- oder Telefonkonferenz zulässig, aber Präsenzsitzungen haben weiterhin Vorrang. Dabei können sowohl einzelne teilnahmeberechtigte Personen zugeschaltet oder die Sitzung kann ausschließlich als Video- oder Telefonkonferenz mit den teilnahmeberechtigten Personen durchgeführt werden. Allerdings müssen die Rahmenbedingungen für Video- und Telefonkonferenzen unter Sicherung des Vorrangs der Präsenzsitzung in einer Geschäftsordnung festgelegt sein. Die Anzahl digitaler Sitzungen könnte beispielsweise insgesamt zahlenmäßig oder auf bestimmte Themen/Sachverhalte begrenzt werden, bei denen der Betriebsrat eine möglichst schnelle Befassung für angezeigt hält, oder durch eine Begrenzung auf Fälle, in denen das Format dem Gesundheitsschutz der Betriebsratsmitglieder dient.

Motiv des Gesetzgebers für den Vorrang der Präsenzsitzung war, dass im virtuellen Format Körpersprache, Mimik oder Gestik nicht in gleicher Weise wahrgenommen werden können. Auch ein vertraulicher Einzelaustausch von einzelnen Betriebsratsmitgliedern, der für die Meinungsbildung wichtig sein kann, sei nicht möglich.

Wichtig: Ob und inwieweit das digitale Format genutzt wird, entscheidet immer allein der Betriebsrat. Der Arbeitgeber ist in keinem Fall berechtigt, die Durchführung der Sitzung mittels Video- oder Telefonkonferenz zu verlangen.

Kein Widerspruch durch ein Viertel der Betriebsratsmitglieder

Die Nutzung von Video- oder Telefonkonferenzen ist nur dann zulässig, wenn nicht zuvor ein Viertel der Mitglieder des Betriebsrats diesem Verfahren widerspricht. Der Vorsitzende hat mit der Einladung darauf hinzuweisen, dass und in welcher Weise die Nutzung von Video- und Telefonkonferenz beabsichtigt ist, außerdem muss er eine angemessene Frist zum Widerspruch setzen. Der Widerspruch hat gegenüber dem Vorsitzenden zu erfolgen. Er ist nicht formgebunden.

Nichtöffentlichkeit – TOM‘s

Es muss sichergestellt sein, dass Dritte vom Inhalt der Sitzung keine Kenntnis nehmen können. Dabei hat der Betriebsrat durch TOM’s = Technische (z. B. verschlüsselte Verbindung) und Organisatorische Maßnahmen (z. B. Nutzung eines nichtöffentlichen Raums) die Vertraulichkeit sowie die Einhaltung der datenschutzrechtlichen Vorgaben zu gewährleisten. Die zugeschalteten Sitzungsteilnehmer können zum Beispiel zu Protokoll versichern, dass nur teilnahmeberechtigte Personen in dem von ihnen genutzten Raum anwesend sind. Sobald nicht teilnahmeberechtigte Personen den Raum betreten, ist hierüber unverzüglich zu informieren. Eine Aufzeichnung der Sitzung ist unzulässig.

Die Vorgaben der DSGVO sowie des Bundesdatenschutzgesetzes sind insgesamt zu beachten. Das Recht zur innerbetrieblichen (z. B. §§ 32, 52, 59a für die jeweilige SBV oder § 67 für die JAV) und außerbetrieblichen (z. B. Gewerkschaftsmitglieder nach § 31) Teilnahme bleibt unberührt und ist auch für eine Teilnahme mittels Video- oder Telefonkonferenz sicherzustellen.

Praxishinweis: Richten Sie einen eigenen Account bei einem entsprechenden (auch im Hinblick auf Datenschutz anerkannten) Dienstleister ein und nutzen nicht eine technische Lösung aus dem Angebot des Unternehmens. Denn es fallen immer Nutzerdaten an und werden vom System gespeichert – und der Systemadministrator des Arbeitgebers hat im Zweifel Zugriff darauf.

Beschlussfassung

Eine Beschlussfassung des Betriebsrats kann wirksam erfolgen, wenn einzelne oder alle Betriebsratsmitglieder mittels Video- und Telefonkonferenz teilnehmen. Dazu bestimmt § 33 Abs. 1 S. 2 BetrVG n.F., dass Betriebsratsmitglieder, die mittels Video- und Telefonkonferenz an der Beschlussfassung teilnehmen, als anwesend gelten (gleichlautende Regelung für den GBR in § 51 Abs. 3 S.2 BetrVG n.F.).

Geheime Abstimmungen – Praxistipp

Nutzen Sie für erforderliche geheime Abstimmungen im Betriebsrat weiterhin unser Tool - näheres dazu hier.

Entsprechende Anwendbarkeit für GBR, KBR und JAV sowie Ausschüsse

Die Neuregelungen zur Sitzung und Beschlussfassung finden per Gesetzes-Verweis auch für den Gesamt- und Konzernbetriebsrat sowie die Jugend- und Auszubildendenvertretung inkl. Gesamt- und Konzern-JAV Anwendung. Sie gelten – ausweislich der Gesetzesbegründung – entsprechend für die ebenfalls im Dritten Abschnitt des BetrVG geregelten Ausschüsse und Arbeitsgruppen nach § 28a BetrVG und für Sitzungen und Zusammenkünfte des Wirtschaftsausschusses nach § 108 Absatz 1, 4 und 5 BetrVG (vgl. dazu Seite 20 f. Gesetzesentwurf der Bundesregierung zum Betriebsrätemodernisierungsgesetz, Teil B. Besonderer Teil: zu Artikel 1, Nr. 4).

Exkurs: Eine entsprechende Neu-Regelung betreffend Sitzungen per Telefon- oder Videokonferenz gibt es für Personalräte im Geltungsbereich des BPersVG, vgl. § 38 Abs. 3 und § 39 Abs. 4 BPersVG.

Kosten der Konferenztechnik

Die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Kostentragung nach § 40 Abs. 2 BetrVG umfasst nicht nur die Konferenztechnik samt Zubehör, sondern auch das zur Verfügung stellen von technischen Sicherungsmaßnahmen (TOM’s, s. o.). Detailfragen sind vermutlich der Konkretisierung durch die Rechtsprechung vorbehalten, wobei die Ausführungen des LAG Berlin-Brandenburg zu § 129 BetrVG a.F. evtl. übertragbar sein dürften (LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 14.04.2021 - 15 TaBVGa 401/21: Bei Anwendung der §§ 129 I, 40 II BetrVG kann ein 11-köpfiger Betriebsrat verlangen, dass ihm die beantragten Informations- und Kommunikationsmittel (2 Lizenzen zur Durchführung von Videokonferenzen, 2 Headsets, 2 Webcams, 11 Smartphones) zur Verfügung gestellt werden (amtl. Leitsatz)).

Kritik

Leider fehlt eine Regelung zur Fortführung der während der Corona-Pandemie zulässigen Sitzungen der Einigungsstellen per Video- und Telefonkonferenz (§ 129 Abs. 2 BetrVG a.F.– außer Kraft). Auch die festgeschriebenen Möglichkeiten der Online-Betriebsversammlungen (§ 129 Abs. 3 BetrVG a.F.) wurden nicht weiter fortgeführt. Es mag gute Gründe dafür geben, aber auch solche dagegen…

Insgesamt sind die Regelungen als ein Versuch der dauerhaften gesetzlich abgesicherten Digitalisierung der BR-Arbeit zu sehen, allerdings nur ein sehr zaghafter. Denn im Vergleich dazu war mit § 129 viel mehr möglich, da nahezu alle Zusammentreffen und Gremiumssitzungen virtuell durchgeführt werden konnten – nunmehr nur noch ausnahmsweise und partiell. Der Gesetzgeber hat die Chance nicht genutzt, auch in diesem Bereich die Gleichbehandlung der Geschlechter zu fördern und Benachteiligungen wegen Behinderung entgegenzuwirken. Insbesondere für viele teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmervertreterinnen und Arbeitnehmervertreter, die in vielen Branchen sehr oft Frauen sind, ist eine Teilnahme an überörtlichen Sitzungen oft nur schwer möglich.

Wir möchten positiv enden: Künftig besteht die Möglichkeit, Betriebsvereinbarungen unter Nutzung einer qualifizierten elektronischen Signatur abzuschließen – ein echter Fortschritt im Bereich Digitalisierung!

Alle Änderungen, die sich für Sie aus dem neuen Betriebsrätemodernisierungsgesetz ergeben - z. B. zum Kündigungsschutz, Vereinfachungen in den BR-Wahlverfahren, Regelungen des Datenschutzes etc. - hat Prof. Düwell für Sie zusammengefasst. Lesen Sie hier den Artikel von Prof. Düwell

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