„Diversität – jetzt erst recht!“: Warum Vielfalt nicht nur Haltung, sondern betrieblicher Fortschritt ist

Ein Beitrag zum Deutschen Diversity-Tag 2025

Ein Kollege, der sich zurückzieht, weil er sich nicht verstanden fühlt. Eine Mitarbeiterin, die nie nach einer Führungsrolle fragt – weil sie das Gefühl hat, sie sei nicht gemeint. Ein Praktikant, dessen Ideen überhört werden, weil er nicht perfekt Deutsch spricht. Diese Situationen gibt es – jeden Tag, in jedem Betrieb. Vielfalt ist da – aber sie braucht Raum, Struktur und Sichtbarkeit.

Gerade in einer Zeit, in der internationale Schlagzeilen zunehmend von Rückschritten bei Gleichstellung und Vielfalt geprägt sind, setzt der Deutsche Diversity-Tag am 27. Mai 2025 ein starkes Zeichen – für Respekt, für Zusammenhalt und für eine moderne Arbeitswelt. Für Betriebsräte ist das ein wichtiger Anlass, Vielfalt (wieder) auf die Agenda zu setzen – nicht nur als Haltung, sondern als Schlüssel für Zusammenarbeit, Zukunftsfähigkeit und betriebliche Stärke.

Vielfalt ist schon da – wir müssen nur anfangen, sie zu nutzen

In nahezu jedem Betrieb treffen täglich Menschen mit unterschiedlichen Lebenswegen, Erfahrungen und Sichtweisen aufeinander – in der Werkhalle, im Büro, auf Leitungsebene. Ob diese Vielfalt als Chance genutzt wird, ist keine Frage des Zufalls, sondern der Haltung und Struktur: Wird Vielfalt bewusst einbezogen? Werden gleiche Chancen geschaffen? Wird Diskriminierung aktiv begegnet?

Vielfalt – oder „Diversity“ – umfasst viele Dimensionen, etwa:

  • Lebensalter
  • Geschlecht
  • Sexuelle Orientierung und Identität
  • Behinderung (physische und/oder psychische Fähigkeiten)
  • Ethnische Herkunft und Nationalität
  • Religion und Weltanschauung
  • Soziale Herkunft, Bildungshintergrund und beruflicher Werdegang

Diese Merkmale beeinflussen Zusammenarbeit, Kommunikation, Entwicklungsmöglichkeiten – und damit den betrieblichen Erfolg. Studien zeigen: Teams, die divers aufgestellt sind, sind oft innovativer, lösungsorientierter und resilienter.

Vielfalt ist Mitbestimmungsthema

Vielfalt ist ein grundlegender Wert unserer Gesellschaft und spielt auch für Betriebe eine zentrale Rolle. Sie ist in zahlreichen gesetzlichen Regelungen verankert, darunter das Grundgesetz (GG), das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) und das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG).

Genau hier kommt der Betriebsrat ins Spiel. Denn Mitbestimmung heißt auch: gesellschaftliche Realität im Betrieb sichtbar machen und strukturell berücksichtigen. Der Betriebsrat kann aktiv dazu beitragen, die bestehende Vielfalt als Ressource zu erkennen, Rahmenbedingungen für ein respektvolles Miteinander zu schaffen und dafür zu sorgen, dass alle Beschäftigten – unabhängig von ihren individuellen Merkmalen – gleichberechtigt teilhaben und sich einbringen können.

 

Seminar: Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG)

 

Die sieben Vielfaltsdimensionen – und was sie für den Betrieb bedeuten

Die Charta der Vielfalt benennt sieben zentrale Dimensionen. Sie prägen Menschen – und bieten Betrieben Anknüpfungspunkte für eine gerechte, diverse Arbeitskultur.

1. Alter – zwischen Erfahrungswissen und Zukunftskompetenz

Die Belegschaften altern – gleichzeitig treten junge Beschäftigte mit neuen Erwartungen in den Betrieb ein. Alter ist mehr als eine Zahl: Es prägt Arbeitsstile, Kommunikationsverhalten, technische Kompetenzen und persönliche Belastbarkeit.

Was Betriebsräte tun können:

  • Altersgerechte Arbeitsbedingungen fördern (z. B. ergonomische Arbeitsplätze, flexible Arbeitszeiten)
  • Altersgemischte Teams unterstützen
  • Altersdiskriminierung sichtbar machen und thematisieren

 

Seminar: Herausforderungen einer alternden Belegschaft

 

2. Ethnische Herkunft & Nationalität – Vielfalt spricht viele Sprachen

In vielen Betrieben arbeiten Beschäftigte mit Migrationsgeschichte. Sie bringen nicht nur Mehrsprachigkeit und kulturelles Wissen mit, sondern oft auch zusätzliche fachliche Perspektiven. Häufig bleibt ihr Potenzial jedoch ungenutzt – oder sie erleben Ausgrenzung.

Was Betriebsräte tun können:

  • Auf diskriminierungsfreie Stellenausschreibungen achten
  • Mehrsprachigkeit in Unterweisungen oder Aushängen fördern
  • Initiativen gegen Alltagsrassismus im Betrieb initiieren oder unterstützen

 

Seminar: Mobbing I

 

3. Geschlecht & geschlechtliche Identität – Gleichstellung braucht Strukturen

Obwohl Frauen inzwischen in vielen Bereichen gleich stark vertreten sind, bestehen in vielen Betrieben nach wie vor ungleiche Karrierechancen, Entgeltlücken und stereotype Rollenbilder. Hinzu kommen Herausforderungen für trans*, inter* und nicht-binäre Personen, etwa bei Umkleiden, Dokumenten oder dem Umgang im Kollegenkreis.

Was Betriebsräte tun können:

  • Gender Pay Gap prüfen lassen und Maßnahmen zur Entgeltgleichheit vorschlagen
  • Sichtbarkeit aller Geschlechtsidentitäten durch Schulungen oder Leitfäden fördern
  • Gendergerechte Sprache in Betriebsvereinbarungen etablieren

4. Körperliche und geistige Fähigkeiten – Inklusion als Normalfall denken

Viele Beschäftigte haben sichtbare oder unsichtbare Einschränkungen – ob chronische Erkrankungen, Mobilitätseinschränkungen, neurodivergente Veranlagungen oder psychische Belastungen. Inklusion bedeutet: Barrieren abbauen, Potenziale erkennen.

Was Betriebsräte tun können:

  • Arbeitsplätze auf Barrierefreiheit prüfen (z. B. höhenverstellbare Tische, Software, Beleuchtung)
  • Zusammenarbeit mit der Schwerbehindertenvertretung (SBV) intensivieren
  • Für Wissen zu psychischer Gesundheit sensibilisieren

 

Seminar: SBV und Betriebsrat - wie Sie gemeinsam mehr erreichen!

 

5. Religion & Weltanschauung – Raum für Überzeugungen schaffen

Glaube ist Privatsache – aber auch Teil der Identität. In pluralistischen Belegschaften treffen unterschiedliche religiöse und weltanschauliche Überzeugungen aufeinander. Anerkennung schafft Vertrauen und Zugehörigkeit.

Was Betriebsräte tun können:

  • Gebetsräume oder Rückzugsorte thematisieren
  • Kulturelle Feiertage und Bedürfnisse berücksichtigen
  • Kulturelle Unterschiede aktiv im Diversity-Kontext ansprechen, statt zu tabuisieren

6. Sexuelle Orientierung – sichtbar sein ohne Risiko

LGBTQIA+-Personen erleben in vielen Betrieben nach wie vor Unsicherheit oder sogar Diskriminierung. Studien zeigen: Wo Offenheit gelebt wird, steigt nicht nur das Vertrauen – sondern auch Motivation und Bindung​.

Was Betriebsräte tun können:

  • Diskriminierungsfreie Sprache und Umgangsformen fördern
  • Schutzräume oder Netzwerke (z. B. Queer-Stammtisch, Ally-Programme) ermöglichen
  • Im Konfliktfall konsequent reagieren – ggf. in Zusammenarbeit mit externen Stellen

7. Soziale Herkunft – Chancen erkennen, Hürden abbauen

Ob Studium oder Ausbildung, Stadt oder Dorf, Akademiker- oder Arbeiterfamilie – soziale Herkunft prägt berufliche Wege.

Was Betriebsräte tun können:

  • Mentoring für Berufseinsteigende organisieren
  • Qualifizierungsangebote inklusiv gestalten
  • Bildungswege jenseits formaler Abschlüsse wertschätzen

Fazit: Jetzt ist die Zeit für Vielfalt

Vielfalt ist da – aber sie braucht Schutz, Strukturen und Sichtbarkeit. Betriebsräte haben die Hebel in der Hand, um Arbeitsplätze gerechter, inklusiver und zukunftsfähiger zu gestalten.

Nutzen Sie den Deutschen Diversity-Tag 2025 als Impuls:

  • Bringen Sie das Thema auf die Tagesordnung!
  • Starten Sie eine Diskussionsrunde im Gremium oder mit Beschäftigten.
  • Überprüfen Sie bestehende Vereinbarungen auf Diversity-Aspekte.
  • Zeigen Sie Haltung – und gestalten Sie mit!