Die Mitbestimmung bei Versetzung durch den Betriebsrat ist ein zentrales Thema im Arbeitsrecht. Wann liegt eine Versetzung im Sinne des Gesetzes vor? Was bedeutet sie für den Arbeitsvertrag? Und in welchen Fällen muss der Betriebsrat beteiligt werden? Wer sich mit Versetzungen beschäftigt, sollte wissen, dass jede Versetzung juristisch auf drei Ebenen zu betrachten ist: der individualrechtlichen Ebene (arbeitsvertragliche Grundlagen), der tatsächlichen Ebene (praktische Umsetzung der Versetzung) und der betriebsverfassungsrechtlichen Ebene (Mitbestimmung gemäß Betriebsverfassungsgesetz).
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Auf der individualrechtlichen Ebene geht es um die rechtliche Grundlage der Versetzung aus Sicht des individuellen Arbeitsverhältnisses. Entscheidend ist, ob der Arbeitgeber durch sein Weisungsrecht (Direktionsrecht) die Versetzung anordnen darf oder ob eine Vertragsänderung nötig ist. Das Weisungsrecht des Arbeitgebers ergibt sich aus dem Arbeitsvertrag und gesetzlich aus § 106 Gewerbeordnung (GewO), wonach der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach Ermessen näher bestimmen kann, sofern der Arbeitsvertrag diese Aspekte nicht schon festgelegt hat.
Ist im Arbeitsvertrag nur eine allgemeine Tätigkeit oder der Betrieb als Arbeitsort genannt, kann der Arbeitgeber innerhalb dieses Rahmens eine innerbetriebliche Versetzung vornehmen (z. B. in eine andere Abteilung am selben Standort) – hier hat der Betriebsrat jedoch ein Wort mitzureden. Ist die gewünschte Änderung nicht mehr vom Vertrag gedeckt (etwa Versetzung an einen ganz anderen Arbeitsort, der nicht vereinbart war), muss der Arbeitgeber eine Vertragsänderung herbeiführen. Dies kann einvernehmlich durch einen Änderungsvertrag geschehen oder einseitig durch eine Änderungskündigung, bei der der oder die Mitarbeiter*in einen geänderten Vertrag angeboten bekommt.
Versetzung aus individualrechtlicher Sicht bedeutet daher, dass der Arbeitgeber die Zuweisung eines neuen Arbeitsbereichs nur vornehmen darf, wenn entweder der Arbeitsvertrag (inkl. Direktionsrecht) es zulässt oder der Vertrag entsprechend geändert wird. Andernfalls wäre die Versetzung arbeitsrechtlich unwirksam und der bzw. die Arbeitnehmende könnte die Arbeitsaufnahme am neuen Platz verweigern.
Die tatsächliche Ebene einer Versetzung betrifft die praktische Durchführung im Betriebsalltag. Hier steht der Realakt im Vordergrund – also das, was faktisch passiert, wenn jemand versetzt wird. Unabhängig davon, ob die Versetzung auf Weisungsrecht oder Vertragsänderung beruht, wird sie praktisch dadurch vollzogen, dass der oder die Mitarbeiter*in an den neuen Arbeitsplatz wechselt und die neuen Aufgaben übernimmt.
In der Praxis umfasst dies beispielsweise, dass der oder die Vorgesetzte am neuen Einsatzort die Mitarbeitenden einweist, Arbeitsmittel oder Schlüssel übergibt und das Team vorstellt. Diese Umsetzung der Versetzung ist strikt von den rechtlichen Regelungen zu trennen – sie bedeutet schlicht die räumliche oder inhaltliche Veränderung der Arbeitstätigkeit.
Von außen betrachtet ändert die oder der Mitarbeiter*in etwa den Arbeitsort oder das Aufgabengebiet innerhalb des Betriebs. Für den Rechtsstatus der Beschäftigten ist dies zunächst ein tatsächlicher Vorgang, der aber nur dann reibungslos vonstattengeht, wenn die individualrechtliche Basis stimmt und – im nächsten Schritt – die Beteiligungsrechte des Betriebsrats beachtet werden. Eine Versetzung ohne Zustimmung des Betriebsrats durchzuführen, wäre an dieser Stelle ein kritischer Fehler, der die Maßnahme angreifbar macht.
Auf der dritten Ebene kommt der Betriebsrat ins Spiel. Das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) schreibt vor, dass der Betriebsrat bei personellen Einzelmaßnahmen wie Versetzungen mitzubestimmen hat. Versetzung und Betriebsrat sind daher zwei Themen, die untrennbar zusammengehören.
Zunächst definiert das Gesetz klar, wann eine Versetzung im betriebsverfassungsrechtlichen Sinne vorliegt (§ 95 Abs. 3 BetrVG): „Versetzung im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes ist die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs, die voraussichtlich die Dauer von einem Monat überschreitet, oder die mit einer erheblichen Änderung der Umstände verbunden ist, unter denen die Arbeit zu leisten ist.“
Eine kurzfristige Veränderung unter einem Monat gilt demnach nicht als Versetzung, es sei denn, sie bringt gravierende Änderungen der Arbeitsbedingungen mit sich (z. B. deutlich andere Arbeitszeiten oder erheblich andere Umstände wie Lärm, Klima etc.). Damit nur wesentliche Umsetzungen erfasst werden, ist die innerbetriebliche Versetzung bei sehr kurzer Dauer und unveränderten Bedingungen mitbestimmungsfrei. In allen anderen Fällen – insbesondere bei dauerhaften oder erheblichen Änderungen – greift die Mitbestimmung des Betriebsrats bei Versetzungen.
In Betrieben mit mehr als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmenden schreibt § 99 Abs. 1 BetrVG vor, dass der Arbeitgeber den Betriebsrat vor jeder Versetzung unterrichten und dessen Zustimmung einholen muss. Der Arbeitgeber muss dem Betriebsrat die erforderlichen Informationen zur geplanten Versetzung geben – dazu gehören typischerweise Angaben zum Mitarbeitenden, zum neuen Arbeitsplatz (Aufgabenbereich, Standort) und zur Begründung der Versetzung, ebenso die vorgesehene Eingruppierung (Einstufung in eine Lohn-/Gehaltsgruppe) und etwaige Änderungen der Arbeitsbedingungen.
Ohne diese vollständige Unterrichtung beginnt die gesetzliche Entscheidungsfrist für den Betriebsrat nicht abzulaufen. Der Betriebsrat hat nämlich eine Woche Zeit, über die Zustimmung zur Versetzung zu entscheiden (§ 99 Abs. 3 BetrVG). Teilt der Betriebsrat dem Arbeitgeber nicht innerhalb einer Woche nach der Unterrichtung schriftlich mit, dass er die Zustimmung verweigert, gilt die Zustimmung als erteilt. Mit anderen Worten: Schweigt der Betriebsrat eine Woche lang, darf der Arbeitgeber die Versetzung so behandeln, als hätte der Betriebsrat zugestimmt (Zustimmungsfiktion).
Jedoch kann der Betriebsrat aktiv werden, indem er die Zustimmung zur Versetzung verweigert. Allerdings darf eine Versetzung nicht willkürlich blockiert werden. Das Gesetz zählt in § 99 Abs. 2 BetrVG sechs zulässige Ablehnungsgründe auf (Zustimmungsverweigerungsgründe). Der Betriebsrat muss mindestens einen dieser Gründe nennen, wenn er die Zustimmung verweigert:
Verweigert der Betriebsrat fristgerecht und begründet, darf der Arbeitgeber die Versetzung vorerst nicht durchführen. Er kann jedoch beim Arbeitsgericht das sogenannte Zustimmungsersetzungsverfahren einleiten (§ 99 Abs. 4 BetrVG). Das Gericht prüft dann, ob die Verweigerungsgründe zutreffen. Kommt das Gericht zum Schluss, dass kein legitimer Verweigerungsgrund vorliegt, kann es die fehlende Zustimmung ersetzen, und der Arbeitgeber darf die Versetzung vornehmen. Bestätigt das Gericht allerdings die Ansicht des Betriebsrats, wird die Zustimmung nicht ersetzt – in diesem Fall bleibt die Versetzung untersagt. Eine Versetzung ohne Zustimmung des Betriebsrats (oder ohne gerichtlich ersetzte Zustimmung) ist somit nicht zulässig.
Für den Arbeitgeber bedeutet dies, dass er eine mitbestimmungspflichtige Versetzung keinesfalls einseitig und ohne Beteiligung des Betriebsrats umsetzen darf. Andernfalls begeht er unter Umständen eine Ordnungswidrigkeit und riskiert, dass die Maßnahme rückgängig gemacht werden muss. Der Betriebsrat seinerseits sollte seine Mitbestimmungsrechte bei Versetzung stets wahrnehmen, um die Belegschaft vor unbegründeten Nachteilen zu schützen und eine faire Umsetzung von personellen Veränderungen im Betrieb sicherzustellen.
Zusammengefasst muss eine Versetzung dreierlei erfüllen: Sie muss individualrechtlich zulässig, tatsächlich sauber umgesetzt und betriebsverfassungsrechtlich durch den Betriebsrat mitgetragen sein. Nur wenn alle Ebenen beachtet werden, ist eine Versetzung rechtlich wirksam und sorgt für eine transparente Personalpolitik. Die enge Beteiligung des Betriebsrats – kurz gesagt, Versetzung mit Betriebsrat statt ohne – stärkt dabei die Interessen aller Beteiligten.
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